Deutsche Grundschullehrkr?fte und Gymnasiallehrer, die Mathematik als
Fach studiert haben, zeigen im internationalen Vergleich am Ende ihrer
Ausbildung gute bis sehr gute Leistungen. Grundschullehrkr?fte ohne
eine solche Vertiefung sowie Haupt- und Realschullehrer bleiben dagegen
hinter Lehrkr?ften für die Grundschule bzw. die Sekundarstufe I in
anderen L?ndern zurück.
Diese Diskrepanz deckte heute die internationale Vergleichsstudie
TEDS-M (Teacher Education and Development Study in Mathematics) auf, in
deren Rahmen mehr als 20.000 Mathematiklehrer im letzten Jahr der
Lehrerausbildung zu ihren fachlichen und didaktischen Kompetenzen
getestet wurden. "Ein Teil unserer Lehrkr?fte wird damit unzureichend
auf ihre anspruchsvolle Aufgabe vorbereitet, Schülerinnen und Schüler
zu den staatlich gesetzten Bildungsstandards zu führen", resümiert
Sigrid Bl?meke, Professorin für Unterrichtsforschung an der
Humboldt-Universit?t zu Berlin und Leiterin der Studie.
In kaum einem Land zeigen sich so gro?e Unterschiede in den
fachbezogenen Kompetenzen der Lehrkr?fte einer Schulstufe wie in
Deutschland, was im Durchschnitt nur zu Ergebnissen führt, die knapp
über dem internationalen Mittelwert liegen. Deutsche
Grundschullehrkr?fte schneiden im internationalen Vergleich
hervorragend ab, wenn sie sich in ihrer Ausbildung für das Fach
Mathematik entschieden haben. Probleme zeigen sich bei
stufenübergreifend ausgebildeten Grund-, Haupt- und Realschullehrern
ohne Mathematik als Studienfach, die als Klassenlehrkr?fte in der
Grundschule aber Mathematik unterrichten müssen. "Mit ihrem überwiegend
aus der Schule stammenden Wissen werden sie vermutlich nur schwer
erfolgreichen Mathematikunterricht durchführen k?nnen", sagt Gabriele
Kaiser, Professorin für Mathematikdidaktik an der Universit?t Hamburg
und Co-Leiterin von TEDS-M. Angesichts eines anzunehmenden
Zusammenhangs von Lehrerkompetenzen und Schülerleistungen er?ffnet sich
hier ein Weg, durch Reformen in der Lehrerausbildung Schülerleistungen
zu steigern. Sigrid Bl?meke: "Anspruchsvolle Bildungsstandards sind
wichtig für unsere Schülerinnen und Schüler. Wir ben?tigen dann aber
auch Grundschullehrkr?fte, die so ausgebildet sind, dass alle Schüler
eine Chance haben, sie zu erreichen – nicht nur jene, die das Glück
haben, von einer Lehrerin mit Mathematikausbildung unterrichtet zu
werden." In Taiwan oder Singapur, die in Bezug auf die mathematische
und mathematikdidaktische Kompetenz an der Spitze der
Leistungsverteilung stehen, ist es gar nicht erst m?glich, ohne das
Studium der Mathematik und ihrer Didaktik in den Grundschullehrerberuf
einzutreten. Starke Leistungen in den beiden untersuchten Bereichen
zeigen auch die Grundschullehrkr?fte aus der Schweiz und
Norwegen.
In der Sekundarstufe I wird Mathematikunterricht fast überall auf der
Welt durch Fachlehrkr?fte erteilt. Hier stehen angehende Lehrkr?fte aus
Taiwan und Russland an der Spitze der Leistungsverteilung, die
Leistungen deutscher Mathematiklehrkr?fte liegen signifikant über dem
internationalen Mittelwert, aber deutlich hinter der Spitze. Erneut
gilt, dass sich in kaum einem Land eine solche Variationsbreite an
Leistungen zeigt wie in Deutschland: Angehende Gymnasiallehrkr?fte
zeichnen sich im internationalen Vergleich am Ende ihrer Ausbildung
durch herausragende Kompetenzen aus. Nicht-Gymnasiallehrkr?fte, die
eine deutlich kürzere Lehrerausbildung durchlaufen, weisen Schw?chen
auf. Sigrid Bl?meke: "Mit Blick auf die Chancengerechtigkeit in den
Schulen der Sekundarstufe I muss dieses Ergebnis alarmieren." Fast die
H?lfte der deutschen Haupt- und Realschullehrkr?fte weist nur ein
mathematisches bzw. mathematikdidaktisches Wissen auf, das dem unteren
TEDS-M-Kompetenzniveau entspricht. Demnach haben diese Lehrkr?fte zum
Teil selbst Schwierigkeiten, mathematische Nichtstandardaufgaben zu
l?sen, die auf dem Niveau der zu unterrichtenden Schüler liegen.
"Mathematik ist ein Schlüsselfach für den Zugang zu vielen Berufen.
Anspruchsvolle Bildungsstandards sind für Schülerinnen und Schüler
daher wichtig. Wir ben?tigen dann aber auch in der Breite Lehrkr?fte
mit hoher Fachkompetenz, sodass alle Schüler eine Chance haben, sie zu
erreichen – nicht nur die Schüler des Gymnasiums", so Gabriele Kaiser.
P?dagogische Kompetenz wurde in den L?ndern Deutschland, Taiwan und
den USA vertieft getestet. Sowohl deutsche Grundschullehrkr?fte als
auch deutsche Mathematiklehrkr?fte für die Sekundarstufe I verfügen am
Ende ihrer Ausbildung über deutlich h?here Kompetenzen als jene in den
USA. Im Vergleich zu Taiwan zeichnen sich Lehrkr?fte aus Deutschland
noch einmal durch eine besonders starke Leistungsspitze aus. Inhaltlich
verfügen die Lehrkr?fte in Deutschland über relativ umfangreiches
Wissen zum Umgang mit einer heterogenen Schülerschaft. Diese St?rke
geht vor allem auf die Leistungen der Haupt- und Realschullehrkr?fte
zurück.
Bezüglich des Bildes von Mathematik vertreten sowohl angehende
Grundschullehrkr?fte als auch die Mathematiklehrkr?fte der
Sekundarstufe I aus Deutschland moderne Auffassungen: So lehnen sie
eine Charakterisierung der Mathematik als abstraktes System von
Algorithmen im internationalen Vergleich besonders deutlich ab.
Entsprechend werden ?berzeugungen, in denen eine rein lehrergesteuerte
Vermittlung mathematischen Wissens betont wird, abgelehnt.
Schülerorientierten ?berzeugungen zum Erwerb mathematischen Wissens
wird dagegen stark zugestimmt. "Einen Zusammenhang von ?berzeugungen
und Unterrichtshandeln vorausgesetzt, deutet sich hier ein Wandel in
der Unterrichtskultur an, der Hoffnung weckt", sagt Sigrid
Bl?meke.
Die TEDS-M-Studie macht auch deutlich, dass sich Lehrerausbildende an
Universit?ten im internationalen Vergleich durch einen besonders hohen
Forschungsbezug und jene an Studienseminaren durch eine besonders
starke Orientierung an der schulischen Praxis auszeichnen. Allerdings
bleibt es im Wesentlichen den angehenden Lehrkr?ften überlassen, diese
verschiedenen Angebote für sich in ein konsistentes Wissensgerüst
zusammenzufügen.
Die in 17 L?ndern durchgeführte Studie der International Association
for the Evaluation of Educational Achievement (IEA), die auch die
TIMSS- und IGLU-Studien durchführt, hat mit der Lehrerausbildung zum
ersten Mal die terti?re Bildung mit objektiven Kompetenztests in den
Blick genommen. Deutschland hat an TEDS-M unter der Leitung von Sigrid
Bl?meke, Gabriele Kaiser und Rainer Lehmann gef?rdert von der Deutschen
Forschungsgemeinschaft (DFG) teilgenommen. "Einer angemessen
gestalteten Lehrerausbildung kommt entscheidende Bedeutung für die
Zukunft unseres Schulsystems zu", führt Bl?meke aus. Die
TEDS-M-Ergebnisse deuten auf Reformpotenzial in Bezug auf die
Rekrutierung von Bewerbern in die Ausbildung als auch in Bezug auf die
Gestaltung dieser hin.
WEITERE INFORMATIONEN
Prof. Dr. Sigrid Bl?meke
Humboldt-Universit?t zu Berlin
Systematische Didaktik und Unterrichtsforschung
Humboldt Graduate School
Tel.: +49 (30) 2093-1911 oder -1803
<a
href="mailto:sigrid.bloemeke@staff.hu-berlin.de">sigrid.bloemeke@staff.hu-berlin.de
Mirja Behrendt
Humboldt-Universit?t zu Berlin
Pressesprecherin des Pr?sidenten
Tel.: +49 (30) 2093-2090
<a
href="mailto:mirja.behrendt@uv.hu-berlin.de">mirja.behrendt@uv.hu-berlin.de
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