Goethes Farbenlehre und photochemische Experimente J. Ritters
Auf einen Blick
DFG Sachbeihilfe
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Projektbeschreibung
Als Goethe in seiner optischen Forschung eine experimentelle Symmetrie zwischen Licht und Dunkelheit entdeckte (die in der gesamten geometrischen Optik gilt), subsumierte er diese Einsicht unter den Begriff der Polarit?t und behauptete, dass sich die Polarit?tsidee gut eigne, um auch in anderen Forschungsbereichen gezielt nach dazu passenden Ph?nomenen und Experimenten zu suchen. Der Physiker J. Ritter übernahm diese Methode von Goethe und entdeckte mit ihrer Hilfe die photochemischen Wirkungen dessen, was wir heute als UV-Licht bezeichnen. Im Zuge seiner Forschung beschrieb Ritter einer Reihe weiterer photochemischer Experimente, in denen sich Symmetrien zwischen Licht und Dunkelheit zeigen, die aber aus heutiger Sicht schwer einzuordnen sind; in der Literatur werden sie als fehlerhaft bezeichnet und nicht weiter er?rtert. Unserer Ansicht nach sollte man versuchen, Ritters experimentelle F?higkeiten und Ergebnisse wohlwollender zu interpretieren; er war ein bedeutender Experimentator von damals hohem Renommee. Durch detaillierte Analyse der ausführlichen photochemischen Schriften Ritters wollen wir zun?chst aus moderner Sicht eine theoretische Repr?sentation dessen erarbeiten, was in den Experimenten geschehen sein k?nnte. Alsdann wollen wir sie mit modernen Mitteln zu replizieren versuchen, um uns schlie?lich (im idealen Limit) an eine Replikation mit den Mitteln anzun?hern, die Ritter seinerzeit hatte, also mit Sonnenlicht anstelle von Kunstlicht, mit suboptimalen Prismen anstelle der heute gebr?uchlichen Prismen und mit Chemikalien der damals üblichen Standards. Diese Aufgaben soll die Diplomchemikerin A. Reinacher in einer ausführlichen Fallstudie bearbeiten. Der Antragsteller will an die konkreten Details der experimentellen Fallstudie einerseits naturphilosophische Untersuchungen anschlie?en und insbesondere den Begriff der Polarit?t auf systematisch attraktive Weise explizieren. Da Ritter seine Experimente ausdrücklich als Kritik an Newtons Optik ansah und sich auf Goethes Seite stellte, wollen wir in dem Projekt herausfinden, wie plausibel diese Ambition aus damaliger und heutiger Sicht ist. Gab es damals eine haltbare Alternative zur historisch erfolgreichen newtonischen Sichtweise, die sich nicht nur mit den Ph?nomenen der geometrischen Optik gut vertr?gt, sondern auch mit denen der frühen Photochemie? Aus einer Antwort auf diese Frage soll sich auch ergeben, wieviel Potential in Goethes Anregungen für damalige Naturwissenschaftler steckte. Um das genauer auszuloten, soll andererseits die Zusammenarbeit zwischen Goethe und Ritter doppelbiographisch aufgearbeitet werden.