Geteilte Herrschaft: Loyalit?tsbrüche und -kontinuit?ten im (post-)osmanischen Ordnungsraum

Auf einen Blick

Laufzeit
01/2014  – 11/2021
DFG-Fachsystematik

Europ?ische und Amerikanische Literatur- und Kulturwissenschaften

Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europ?ische Geschichte der Neuzeit und Au?ereurop?ische Geschichte)

F?rderung durch

DFG Sachbeihilfe DFG Sachbeihilfe

Projektbeschreibung

Das Projekt untersuchte anhand einer bis heute politisch brisanten Fallstudie die interethnischen Beziehungen von Albaner*innen und Makedonier*innen, ausgehend vom Untergang des osmanischen Ordnungssystems und der Etablierung von Nationalstaaten bis zum Zerfall Jugoslawiens und der Entstehung der Republik Makedonien (seit 2018: Nordmazedonien). Die historisch-anthropologisch ausgerichtete Studie kombiniert struktur- und diskursanalytische Zug?nge und verbindet demographische mit ethnographischen Verfahren, die darauf abzielten, Makro- und Mikroprozesse miteinander in Verbindung zu setzen.
Ergebnisse der Forschung belegen das Fortwirken sozio-?konomischer Strukturen, Mentalit?ten und Praktiken aus der osmanischen Zeit insbesondere bei der muslimisch (albanischen) Bev?lkerung bis weit in die kommunistische Zeit. Signifikante sozio-?konomische Differenzierungsprozesse zwischen Makedonier*innen und Albaner*innen lassen sich erst nach der kommunistischen Machtübernahme ausmachen. Die Untersuchung hat gezeigt, wie eng im makedonischen Fall die sozialistische Modernisierung mit Staats- und Nationsbildungsprozessen verbunden war. Auf albanischer Seite manifestierten sich hingegen Widerst?nde gegen eine soziale Integration, die sich auf demographischer und sozialer Ebene (h?here Natalit?t, durchschnittlich gr??ere und komplexer strukturierte Haushalte, religi?s-patriarchale Autorit?tsstrukturen und Geschlechterbeziehungen) sowie in unterschiedlichen Migrationsmustern (makedonische Abwanderung in die St?dte, albanisches Verharren in den D?rfern bei verst?rkter Arbeitsmigration ins westliche Ausland seit Anfang der 1970er Jahre) niederschlugen. Die nationalistisch motivierten Unruhen im Kosovo 1981 führten auch in der Republik Makedonien zu versch?rften Ma?nahmen gegen den aufkeimenden albanischen Nationalismus (sog. Differenzierungspolitik) und in der Folge zu zunehmender interethnischer Entfremdung und zur Politisierung translokaler Migrationsnetzwerke. Die Auseinandersetzungen um die politische und symbolische Teilhabe am Staat nach der Unabh?ngigkeit Makedoniens 1991 wurden von den ethnisch divergierenden sozio-?konomischen Entwicklungen ma?geblich beeinflusst.
Das Projekt hat weiterhin gezeigt, wie sich ideologische und ?sthetische Muster der Wahrnehmung des Zweiten Weltkriegs im sozialistischen Jugoslawien gegenüberstehen und auf welche Weise patriotischer Tourismus Gedenkrituale beeinflusst hat. Zentral war daher die Untersuchung der Beziehungen zwischen südslawischen und albanischen Gemeinschaften, aber auch der Rekonstruktionsmechanismen einzelner Darstellungselemente zum Zweiten Weltkrieg in der kollektiven Erinnerung, mit besonderem Fokus auf interethnische makedonisch-albanische Beziehungen. Das Projekt erg?nzt so das Wissen über Semantiken von Grenzr?umlichkeit durch eine neue Wahrnehmung und Pr?sentation von kulturellen Modellen und dient als beispielhafte Verifizierung der ideologischen und ?sthetischen Transformationen einer systemischen Kriegsdarstellung im kollektiven Ged?chtnis. Die analysierten Denkm?ler sind materielle Symbole der kulturellen Grenzlandschaft, die haupts?chlich innerhalb der Grenzen von ethnischen, kulturellen und politischen 金贝棋牌zonen lokalisiert sind.
Das Projekt hebt das komplexe Zusammenspiel von offiziellem und pers?nlichem Ged?chtnis hervor und fragt, inwiefern die jeweiligen Kriegsdenkm?ler überhaupt genutzt worden sind. Die hier untersuchten Denkm?ler sind einzigartige Beispiele, die die sozialistischen Ideale der Grenzüberwindungen zwischen unterschiedlichen (konflikttr?chtigen) kulturellen Traditionen ausdrücken. Die Omnipr?senz der Devise ?Brüderlichkeit und Einheit“ (bratstvo i jedinstvo) hat in der tito-jugoslawischen ?ffentlichkeit stetig zugenommen. Dies gilt nicht nur für die materielle Kultur (auch wenn sie im heutigen Kosovo aus der ?ffentlichkeit verschwindet oder von einer Darstellung des Krieges von 1998-1999 substituiert wird), sondern auch für mündliche Manifestationen und kollektive Erinnerung – haupts?chlich in den sozialistisch aufgewachsenen Generationen.