FOR 1120/2: Kulturen des Wahnsinns

Auf einen Blick

Laufzeit
10/2014  – 09/2015
DFG-Fachsystematik

Geistes- und Sozialwissenschaften

F?rderung durch

DFG Forschungsgruppe DFG Forschungsgruppe

Projektbeschreibung

Ziel der Forschergruppe ist es, zu einer Geschichte des Wahnsinns als Feld moderner Urbanit?t beizutragen. Wir verstehen unter Wahnsinn kulturelle Figurationen, Topografien und Typologien einer modernen Alterit?t. Dieser Zugriff erlaubt zugleich eine Neubestimmung von Subjektivit?t und Individuation, die sich in den Jahren zwischen der Gründung des Deutschen Reiches und dem Vorabend des Nationalsozialismus vollzog und den Beginn einer ?urbanen Moderne“ markiert.
Zentral für unser Forschungsvorhaben ist der Begriff des Schwellenraums. Mit ihm wollen wir die Ausdrucks-, Regulierungs- und Diskursivierungsformen modernen Wahnsinns als urbanes Dispositiv analysieren. ?bergangs- oder Schwellenph?nomene markieren die Aushandlungsbereiche sehr unterschiedlicher Wissensr?ume und soziokultureller Lebens- und Erfahrungsbereiche: Biografisch k?nnen sie von den Betroffenen und ihren Angeh?rigen als Einbruch und Dekompensation des Alltags erlebt und verarbeitet werden, politisch von Fürsorge- und Sozialeinrichtungen in Interventions- und Unterstützungsstrategien bürokratisiert werden, institutionell von Heilanstalten durch administrative Regelwerke verwaltet und medizinisch schlie?lich als psychiatrische Symptomatik konzeptualisiert werden.
Schwellenph?nomene des urbanen Wahnsinns werden aber auch in der Literatur, der Malerei und der bildenden Kunst dargestellt und anhand ?sthetischer Kriterien ausgehandelt, in Theater, Film und Musik inszeniert und performativ vermittelt, ebenso in Bohemekulturen und Verhaltensstilen artikuliert, als unheimliche Instanz des ?bersinnlichen im Okkulten ausgemacht oder auf die Figur des Künstlers projiziert. Anhand der Analyse von Wert- und Handlungsmustern in diesen Schwellenbereichen werden die komplexen Interaktionen zwischen Kranken, Angeh?rigen, engagierten Laien, teilnehmender ?ffentlichkeit, Fürsorgevertretern, st?dtischen Beamten, Geistlichen, Künstlern, Kulturkritikern und schlie?lich ?rzten und Wissenschaftlern erfasst. Diese Multiperspektivierung rekonstruiert Ph?nomene moderner Alterit?t und erlaubt, sie als urbane Spielarten des Wahnsinns in ihrer kulturellen Wirkm?chtigkeit zu untersuchen.
Methodisch zielt die Forschergruppe auf die historische Topografie jener Schwellenph?nomene, die den Wahnsinn als urbanes Ph?nomen in seinen diskursiven, epistemologischen, institutionellen und medialen Dimensionen entfalten. Sie erschlie?t die Interferenzen zwischen Subjekt- und Kulturgeschichte, zwischen Wissen und Wahn, zwischen Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit und er?ffnet folglich sehr unterschiedliche Erkl?rungs-, Deutungs-, Repr?sentations- und auch Sinnmuster, die aus den Differenzen kultureller Milieus entstehen und den Bedeutungsraum von Wahnsinn in der sich entfaltenden Gro?stadtkultur bilden.