Tonality since 1950
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Description
"Tonalit?t" schien für die Musik des 20. Jahrhunderts lange Zeit eine überholte musikalische Kategorie zu sein, behaftet mit dem Makel der Rückst?ndigkeit und gar des Reaktion?ren. Indes ist in den letzten Jahrzehnten ein Wandel zu beobachten, der sich sowohl im zeitgen?ssischen Komponieren als auch in der musikwissenschaftlichen wie musiktheoretischen Diskussion widerspiegelt und eine neue Offenheit gegenüber dem Ph?nomen erkennen l?sst. Dieser Bewusstseinswandel ist Ausgangspunkt für ein internationales Forschungsprojekt, das die Kategorie Tonalit?t im 20. Jahrhundert auf ihre theoretischen, kompositorischen und kulturgeschichtlichen Implikationen hin untersucht. In der ersten abgeschlossenen Phase wurde 2010–2012 der Teilbereich Tonality 1900–1950. Concept and Practice im Rahmen einer internationalen Konferenz und anschlie?enden Buchpublikation thematisiert. Der zweite Teilbereich, d. h. die Untersuchung des Ph?nomens Tonalit?t in der zweiten H?lfte des 20. Jahrhunderts und im frühen 21. Jahrhunderts begann im Mai 2014 mit der an der Universit?t Basel veranstalteten zweit?gigen Internationalen Konferenz Tonalit?t nach 1950|Tonality Since 1950. Im Rahmen dieser Tagung wurden die unterschiedlichen konzeptionellen Auffassungen sowie die kompositorische Praxis von "Tonalit?t" in der zweiten H?lfte des 20. Jahrhunderts auf m?glichst breiter Grundlage diskutiert, indem ganz verschiedene musikalische Genres sowie Komponisten sowohl aus Europa als auch Nordamerika, aber auch technologische Aspekte Berücksichtigung fanden. Folgende Fragestellungen umrei?en dabei die thematischen Felder, die im Anschluss an die Tagung Tonalit?t nach 1950 in der gleichnamigen Buchpublikation thematisiert werden sollen (vgl. zum folgenden auch die unten stehende Kapitelübersicht sowie die Biographien der Autoren und die Abstracts der Beitr?ge im Anhang): Im ersten Abschnitt werden Paradigmen, die "Tonalit?t" als ideologischen Begriff und Konzept gepr?gt haben, diskutiert. Hier geht es um eine Rekonstruktion der Hintergründe der immensen ideologischen Aufladung des Materialbegriffs, der Ablehnung konventioneller Tonh?henbeziehungen, sowie um den Einfluss technischer Entwicklungen auf das Verst?ndnis von Tonalit?t (I. Tonality: Ideological and Technological Aspects; Beitr?ge von Wolfgang Rathert, Ulrich Mosch und Joseph Auner). Zweitens werden in lockerer chronologischer Abfolge kompositorische Verfahrensweisen unter der Pr?misse in den Blick genommen, dass – in unmittelbarer zeitlicher N?he der bzw. im Anschluss an die Phase des seriellen Komponierens bis zur Gegenwart – Tonalit?t weder als eine fest umrissene Kategorie, noch als eine bereitliegende künstlerische Praxis verstanden werden kann, so dass sich der Begriff "Tonalit?t" als Sammelbezeichnung auf eine Vielzahl von unterschiedlichen Verfahrensweisen beziehen l?sst (Abschnitte II–IV). Untersucht wird erstens, wie Tonalit?t in der bewu?ten Abkehr von der kompositorischen Sprache der Avantgarde der 1950er und 1960er Jahre und h?ufig in bewusstem Aufgreifen und Rückgreifen auf andere Musik (Volksmusik, Musik des 18. und 19. Jahrhunderts etc.) eingesetzt wurde (II. Dissociation from Atonal Paradigm; Beitr?ge von Thomas Ahrend, Ullrich Scheideler, Felix Meyer). Zweitens wird untersucht, wie Tonalit?t innerhalb der Popmusik eingesetzt wird, wie Kunstmusik und Popularmusik in eine enge Beziehung treten und wie das Ph?nomen Tonalit?t insbesondere in der kontinentaleurop?ischen Musikpublizistik seit 1970 zum Schauplatz weltanschaulicher Auseinandersetzungen geworden ist. Der Abschluss dieses Abschnitts bildet eine Studie zum Tonalit?tsverst?ndnis bei Morton Feldman (III. The 1970s, Beitr?ge von Philip Rupprecht, Simon Obert, Markus B?ggemann, Judit Frigyesi). Unter kompositionstechnischen wie kulturgeschichtlichen Aspekten wird das Ph?nomen von Tonalit?t seit den 1980er Jahren schlie?lich anhand einer Reihen von thematisch breit gestreuten Fallstudien, die jeweils signifikante Aspekte des Problemfeldes diskutieren, behandelt (IV. The 1980s and Beyond; Beitr?ge von Peter Schmelz, Volker Helbing, Keith Potter, Eric Drott, Seth Brodsky, Felix W?rner, Simone Heilgendorff) Durch die Pr?sentationen und im Rahmen intensiver Diskussionen konnte auf der Basler Tagung gezeigt werden, dass, entgegen der dominierenden Darstellungsweise in der aktuellen Musikgeschichtsschreibung, das Ph?nomen Tonalit?t – in aller seiner Vielgestaltigkeit – eine kontinuierliche und wichtige Traditionslinie in der Musik des 20. Jahrhunderts auspr?gt und eine wissenschaftliche Aufarbeitung neue Perspektiven auf den Zeitabschnitt er?ffnet. Das wesentliche Anliegen dieses Projekts besteht darin, deutlich zu machen, wie musik?theoretische Konzepte, kulturelle Kontexte, Traditionen und Mentalit?ten sowie die ?ffnung für verschiedene Arten von Musik bei der Formung von neuen (harmonischen respektive tonalen) Musiksprachen und dem Denken über Tonalit?t zusammenwirkten. Die Tatsache, dass Musikwissenschaftler und Musiktheoretiker, die teils in der europ?ischen, teils in der nordamerikanischen Wissenschaftstradition beheimatet sind, gemeinsam an diesem 金贝棋牌komplex arbeiten, er?ffnet neue Sichtweisen und gibt wichtige Impulse auch für den transatlantischen wissenschaftlichen Diskurs. Das wissenschaftliche Team, Felix W?rner (Basel), Ullrich Scheideler (Berlin) und Philip Rupprecht (Durham, NC) m?chte durch die zur F?rderung eingereichte Publikation den im kleineren Kreis begonnenen Diskurs an die breitere scientific community weitergeben und damit das Gesamtprojekt “Tonalit?t im 20. Jahrhundert” zu einem erfolgreichen Abschluss bringen. Die englischsprachige Buchpublikation (die Verlagszusage des Steiner Verlags, Stuttgart liegt vor) ist für 2015 geplant.