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Viel (Selbst-)Zensur ¨C wenig Daten
Beitrag des Konfliktforschers Jannis Grimm, Freie Universit?t Berlin
In den USA hatte der Gaza-Krieg auch f¨¹r ½ð±´ÆåÅÆn Folgen: Nach?aktuellen Studien?f¨¹hlen sich mehr als 80 Prozent der Nahost-Forschenden gezwungen, ihre Aussagen zu zensieren. Gleichzeitig instrumentalisiert die Trump-Regierung den Kampf gegen Antisemitismus auf dem Campus, um unliebsame Forscher*innen auszuweisen und ganze Universit?ten unter Beobachtung zu stellen. Deutsche Spitzenpolitiker*innen erw?gen vor diesem Hintergrund, amerikanische Wissenschaftler*innen anzuwerben, die unter Zensur leiden. Dabei gilt Deutschland ironischerweise selbst l?ngst als Land, in dem das Sprechen ¨¹ber Israel und Pal?stina mit Karriererisiken verbunden ist und wo die pal?stinasolidarischen Proteste zum Einfallstor f¨¹r die Beschneidung von Hochschulautonomie geworden sind. Der dramatische Absturz Deutschlands im?Academic Freedom Index?macht den Effekt von?#F?rdergate, Hunderter?Veranstaltungsabsagen?und der Strafverfolgung von Studierenden wegen Demonstrationen auf dem Campus deutlich. Abseits dieses statistischen Rankings existiert aber kaum verl?ssliches Datenmaterial zur Lage der Forschenden. Explorative Interviews deuten zwar darauf hin, dass Selbstzensur sowohl israelkritische Forschende betrifft als auch jene, die eher als proisraelisch gelten. Beide Gruppen berichten in einem neuen Ausma? von ?ffentlicher Diffamierung und Einsch¨¹chterung. Doch mangelt es weiter an empirisch belastbaren Daten.
Genau diese L¨¹cke adressiert eine laufende Studie des INTERACT-Zentrums, die Ausma? und Ursachen von (Selbst-)Zensur im Kontext des Nahostkonflikts systematisch untersuchen will. Drei Dimensionen stehen dabei im Vordergrund: 1) individuelle Erfahrungen von Zensur, Hassrede und institutionellen Konsequenzen, 2) die Bewertung ?ffentlicher Debatten zu Entwicklungen auf dem Campus und 3) wie biografische und identit?tsbezogene Faktoren die individuelle Bedrohungswahrnehmung pr?gen. Ziel ist, ein differenziertes Lagebild der deutschen Nahostwissenschaft seit dem 7. Oktober jenseits anekdotischer Evidenz zu zeichnen ¨C auch um dem Missbrauch von ?Wissenschaftsfreiheit¡° als Kampfbegriff zu begegnen. Denn die Debatte um Wissenschaftsfreiheit birgt aktuell die Gefahr einer doppelten Instrumentalisierung: Einerseits soll der Vorwurf mangelnder Wissenschaftsfreiheit bisweilen auch legitime Kritik an der Positionierung von Forschenden pauschal abblocken. Andererseits legitimiert der gut gemeinte, aber schlecht gemachte Schutz von ½ð±´ÆåÅÆn aber vor allem autorit?re Ma?nahmen, die kritische wissenschaftliche Diskurse ersticken. Gerade Deutschland tr?gt eine besondere historische Verantwortung, dieser Instrumentalisierung aktiv entgegenzuwirken. ½ð±´ÆåÅÆn sind schon immer Fr¨¹hwarnsysteme f¨¹r breitere autorit?re Tendenzen gewesen. Dass Wissenschaftler*innen zu bestimmten ½ð±´ÆåÅÆ die Schere im Kopf anlegen, sollten wir als ernste Warnung verstehen.
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Zwischen Wissenschaftsfreiheit und Sicherheitsverantwortung: Dual-Use-Forschung und Exportkontrolle im Dialog
Beitrag des Virologen Benedikt Kaufer, Freie Universit?t Berlin
Forschung lebt vom offenen Austausch, von internationaler Zusammenarbeit und dem Streben nach Erkenntnis ¨C diese Freiheit ist grundrechtlich gesch¨¹tzt und eine zentrale Grundlage wissenschaftlicher Innovation. Gleichzeitig bringt besonders die sogenannte Dual-Use-Forschung ¨C also Forschung mit potenziell zivilen?und?milit?rischen Anwendungsm?glichkeiten ¨C eine besondere Verantwortung mit sich. Denn wissenschaftliche Ergebnisse k?nnen unter Umst?nden auch f¨¹r sicherheitsgef?hrdende Zwecke missbraucht werden. Um Forschende in diesem Spannungsfeld nicht allein zu lassen, wurde an der Freien Universit?t Berlin, der Humboldt-Universit?t zu Berlin und der Charit¨¦ ¨C Universit?tsmedizin Berlin die Kommission f¨¹r Ethik sicherheitsrelevanter Forschung (KEF) eingerichtet. Die KEF ber?t Wissenschaftler*innen, wenn ihre Projekte m?glicherweise sicherheitsrelevante Risiken bergen ¨C sei es durch die erzeugten Technologien oder durch Kooperationen mit internationalen Partnern: beispielsweise mit Forschungseinrichtungen in L?ndern wie dem Iran oder Nordkorea, in denen besondere exportkontrollrechtliche und sicherheitsrelevante Rahmenbedingungen gelten. Leitfragen helfen dabei, Risiken fr¨¹hzeitig zu erkennen und sie ethisch wie rechtlich zu reflektieren, ohne die Wissenschaftsfreiheit unn?tig einzuschr?nken. Die KEF unterst¨¹tzt unabh?ngig, vertraulich und l?sungsorientiert ¨C mit dem Ziel, verantwortungsvolle Forschung zu f?rdern.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Exportkontrolle. Denn nicht nur physische G¨¹ter, sondern auch Wissen kann exportkontrollrechtlich relevant sein ¨C etwa bei der Weitergabe von sensiblen Forschungsergebnissen ins Ausland. Das Thema fand in der akademischen Praxis lange wenig Beachtung, gewinnt aber zunehmend an Relevanz. An der Freien Universit?t Berlin ber?t die Koordinierungsstelle?Exportkontrolle?Forschende in Fragen der exportkontrollrechtlichen Genehmigungspflicht, bei Kooperationsvorhaben oder beim postalischen Versand von Materialien. Ziel ist nicht die Verhinderung von Forschung, sondern die Gew?hrleistung von Rechts- und Handlungssicherheit. Es geht darum, Risiken fr¨¹hzeitig zu erkennen und gemeinsam tragf?hige L?sungen zu finden ¨C im Sinne einer forschungsfreundlichen, aber verantwortungsbewussten Wissenschaftspraxis.
Forschende der FU k?nnen sich mit ethischen Fragen an?kef@fu-berlin.de, mit exportrechtlichen Anliegen an?exportkontrolle@zuv.fu-berlin.de wenden.
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Wissenschaftsfreiheit im Spannungsfeld mit Erkenntnis und Moral
Beitrag des Philosophen Stefan Gosepath, Freie Universit?t Berlin
Das deutsche Grundgesetz sch¨¹tzt die Wissenschaftsfreiheit als ein spezifisches Freiheitsrecht, etwa im Unterschied zur Meinungsfreiheit. Denn die Freiheit von Forschung und Lehre ist schlechthin konstitutiv f¨¹r die Wissenschaft, wenigstens f¨¹r die, die ihren Titel verdient. Ohne die Freiheit von wissenschaftsfremden Einflussnahmen kann Wissenschaft ihre ureigenen Ziele, n?mlich die Ermittlung signifikanter Wahrheiten, gar nicht oder nicht gut genug realisieren. Es widerspricht den der Wissenschaft inh?renten Zielen, wenn Wissenschaft dazu instrumentalisiert wird, politische, weltanschauliche, religi?se oder sonstige beliebte Anschauungen (gar unbegr¨¹ndeter- oder f?lschlicherweise) widerspiegeln oder best?tigen zu m¨¹ssen.
Nat¨¹rlich unterliegt die Wissenschaftsfreiheit Schranken. So muss es zun?chst und zumal tats?chlich um wissenschaftliche Forschung mit dem Ziel der Wahrheitsfindung gehen. Zudem sind andere Grundrechte und Gesichtspunkte der Moral und Gerechtigkeit zu ber¨¹cksichtigen. Das wirft oft die generellere Frage auf, ob es denn ¨¹berhaupt richtig ist, der Moral den Vorrang vor der Wissenschaft einzur?umen. Bei den Verfahren der Wissenschaft scheint das Konsens zu sein. Der gute Zweck, also die Findung der Wahrheit, heiligt nicht alle Mittel in wissenschaftlichen Verfahren, vor allem wenn sie die moralischen Rechte anderer verletzt. Bei den Zielen ist es hingegen kontrovers, ob es ¨¹berhaupt moralische Gr¨¹nde geben kann, wissenschaftlich gewonnene, inhaltliche Thesen zur¨¹ckzuweisen. Man kann entweder Wahrheit und Moral als vollkommen getrennt sehen. Oder als ein (schwieriges) Abw?gungsverh?ltnis zwischen zwei unterschiedlichen Werten ansehen. Plausibler ist es jedoch, die Ziele der Wissenschaften, Wahrheit und Erkenntnis, als eingebettet in ein Netz von normativen Zielen anzusehen, wie gleicher Achtung und Anerkennung der moralischen (Menschen-)Rechte aller. Wissenschaft, die das Privileg einer eigenen Freiheit in Anspruch nimmt, muss sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung stellen, und epistemische und praktische Gr¨¹nde zugleich bei der Rechtfertigung ihrer Thesen zusammendenken, ohne den Unterschied zu vernachl?ssigen. Dies kann zu Spannungen f¨¹hren, wie wir sie heute vielfach erleben, z.B. bei der Debatte um Gender-Identit?ten, die im gesellschaftlichen Diskurs zwischen Wissenschaft und ?ffentlichkeit gekl?rt werden m¨¹ssen.
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In China steht die Wissenschaftsfreiheit unter Druck
Beitrag der Sinologin Genia Kostka, Freie Universit?t Berlin
Institutionen wie die Peking-Universit?t bezeichnen die akademische Freiheit offiziell als eines ihrer wichtigsten Prinzipien, und das chinesische Hochschulgesetz besagt, dass der Staat die Freiheit der wissenschaftlichen Forschung gew?hrleistet. In der Realit?t sind Forschende und Studierende in ihrer akademischen Freiheit jedoch stark eingeschr?nkt. Die Einschr?nkungen reichen von der Unm?glichkeit, Verlage f¨¹r Publikationen zu sensiblen ½ð±´ÆåÅÆ zu finden, bis hin zu Entlassungen und Gef?ngnisstrafen f¨¹r kritische ?u?erungen. Die Forschung in China ist stark von der F?rderung durch die lokale oder nationale Regierung abh?ngig. Der Hauptzweck der Universit?t in China ist die F?rderung des Sozialismus und die Verbreitung von Partei-Narrativen. Dar¨¹ber hinaus werden Wissenschaftler*innen unter Druck gesetzt, sich auf die Ver?ffentlichung von Artikeln in SSCI-Zeitschriften zu konzentrieren, da die Universit?tsverwaltungen stark auf Hochschulrankings setzen. Dies?schr?nkt den Forschungsspielraum chinesischer Wissenschaftler weiter ein.
Auch ausl?ndische Forscher unterliegen bei der Arbeit in China Einschr?nkungen. Diese reichen von der Verwehrung von Forschungsvisa ¨¹ber Befragungen oder Durchsuchungen seitens der Beh?rden, Verweigerungen des Zugangs zu Archiven, bis hin zu k?rperlicher Einsch¨¹chterung oder Festsetzung durch die Polizei. Dies f¨¹hrt oft zu Selbstzensur, indem Forschende sich in ihren Projekten auf nicht-sensible Teile konzentrieren, bis hin zur Aufgabe ganzer Projekte. Selbst ausl?ndische Wissenschaftsverlage wie The Cambridge University Press oder Springer Nature k?nnen dem Druck der chinesischen Regierung nicht standhalten und?beschr?nken oder blockieren?den Zugang zu Zeitschriftenartikeln in China.
Die akademische Freiheit steht nicht nur in China unter Druck, sondern auch seitens westlicher Regierungen und Universit?tsverwaltungen. So intervenierte beispielsweise die australische Regierung in die australisch-chinesische STEMM-Kooperation, da sie Bedenken hinsichtlich der nationalen Sicherheit sowie vermeintlicher medizinischer, wirtschaftlicher und menschenrechtlicher Risiken hatte. Dies zeigt, dass Wissenschaftsfreiheit durch geopolitischen Wettbewerb sowie die Wahrnehmung von Risiken und Chancen in der Zusammenarbeit mit China?gef?hrdet?ist.
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Herausforderung Regionalwissenschaften: das Beispiel Lateinamerika
Beitrag der Wissenschaftlichen Mitarbeiterin am Lateinamerika-Institut Karina Kriegesmann, Freie Universit?t Berlin
Die gegenw?rtig intensiv gef¨¹hrten Debatten um die Verteidigung der Wissenschaftsfreiheit und eine?verantwortungsvolle internationale Zusammenarbeit?sind nicht neu. Sie weisen insbesondere an der Freien Universit?t Berlin, die sich seit ihrer Gr¨¹ndung 1948 dem unabh?ngigen Lehren und Forschen sowie dem freien akademischen Austausch verpflichtet f¨¹hlt, eine komplexe Geschichte auf. Den unverzichtbaren und vielfach herausgeforderten Regionalwissenschaften kommt dabei seit jeher eine zentrale Rolle zu.
Die Bedeutung der Area Studies l?sst sich in der Mitte der zweiten H?lfte des 20. Jahrhunderts am Beispiel der Lateinamerikastudien aufzeigen. Enge akademische und pers?nliche Verbindungen ¨C oftmals durch Erfahrungen im Exil gepr?gt ¨C sowie politisch unterst¨¹tzte Kooperationen zwischen Wissenschaftler*innen aus Lateinamerika und West-Berlin trugen seit den 1960er-Jahren wesentlich zu ihrer Institutionalisierung bei. Gleichzeitig bildete sich das Interesse einer zunehmend mobilisierten Studierendenschaft an den L?ndern der damals sogenannten ?Dritten Welt¡° in einer intensiven Auseinandersetzung mit radikalen Ans?tzen und dem kritischen Hinterfragen bestehender Deutungsmuster ab. Diese Dynamiken f¨¹hrten an der Freien Universit?t zu teils heftigen Kontroversen, die immer wieder Abw?gungen und Debatten dar¨¹ber erforderlich machten, was verhandelbar war und was nicht, wo es Gegenwehr und Proteste gab, was in welcher Situation sagbar war und was eher nicht ¨C ein Balanceakt um das Finden, Verteidigen und Ausbalancieren einer verantwortungsbewussten Linie in aufgeregten Zeiten, an dem verschiedene universit?re Gruppen, politische Entscheidungstr?ger*innen, internationale Partnerinstitutionen und Medien beteiligt waren.
Angesichts der Diktaturen, Gewalt und sozialen Ungleichheiten etwa in Argentinien, Brasilien und Chile nahm das ?ffentliche und akademische Interesse an Lateinamerika in den 1970er- und 1980er-Jahren deutlich zu. Im Universit?tsarchiv befinden sich verschiedene Quellen, die die vielf?ltigen Formen kritischer Selbstreflexion ¨¹ber Werte und Positionierungen in einem politisch wie gesellschaftlich aufgeladenen Diskursraum sowohl auf West-Berliner als auch auf globaler Ebene dokumentieren.
Innerhalb des Lehrbetriebs kam es beispielsweise zu Auseinandersetzungen ¨¹ber bestimmte Formulierungen im Vorlesungsverzeichnis: W?hrend manche eine Beschreibung der argentinischen Gewerkschaftsb¨¹rokratie mithilfe ¨C ihrer Einsch?tzung nach ¨C sachlich gerechtfertigter Adjektive bef¨¹rworteten, sahen andere darin ideologische Kommentare.
Eine zentrale Frage war zudem, ob ¨C und wenn ja, in welcher Weise ¨C sich Hochschulleitungen oder Gremien, faktisch ohne ein politisches Mandat, ?ffentlich zur Situation in S¨¹damerika ?u?ern konnten, sollten oder durften. Besonders nach dem Milit?rputsch in Chile 1973 war das Thema Menschenrechtsverletzungen pr?sent. Viele?Universit?tsangeh?rige?zeigten ihre Solidarit?t mit gefl¨¹chteten Studierenden und Wissenschaftler*innen.
Die internationale Zusammenarbeit war ¨C und ist ¨C in ihrer praktischen Umsetzung oftmals eine Herausforderung. R¨¹ckblickend stellten Forscher*innen in einem Abschlussbericht etwa f¨¹r sich fest, sich im Rahmen eines Projekts nicht ausreichend f¨¹r bedrohte Kolleg*innen in Chile engagiert zu haben. Mitglieder einer Projektgruppe hegten die begr¨¹ndete Annahme, dass sie aufgrund ihrer sicherheitspolitisch als verd?chtig eingestuften Forschungsinteressen in Brasilien nicht uneingeschr?nkt wissenschaftlich hatten arbeiten k?nnen. Diese Erfahrungen f¨¹hrten zu einer wichtigen Erkenntnis: Die Freiheit der Wissenschaft ist ein hohes Gut ¨C und keineswegs selbstverst?ndlich.
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Aktuelles Forschungsprojekt: Wissenschaftsfreiheit unter Druck - Die Westberliner Lateinamerikastudien im Spannungsfeld des Kalten Krieges (1960er- bis 1980er-Jahre)
Wissen ist Macht
Beitrag der Umweltpolitologin Lena Partzsch, Freie Universit?t Berlin
Unabh?ngige Wissenschaft ist unverzichtbar f¨¹r die Demokratie. Trotz mehr als drei Jahrzehnten internationaler Klimapolitik hat die Menschheit bereits die planetare Grenze ¨¹berschritten, und die weltweiten Treibhausgasemissionen steigen weiter an. In einer zunehmend polarisierten Gesellschaft fordern Aktivist*innen die Regierungen daher auf, ?die Wahrheit zu sagen¡° und vorherrschende (falsche) Erz?hlungen ?richtig¡° zu stellen. Gleichzeitig wird der Klimawandel insbesondere im rechten Parteienspektrum geleugnet. Die (Politik-)Wissenschaft muss den schwierigen Spagat hinbekommen, sich nicht vereinnahmen zu lassen und dennoch vorhandene Beobachtungen und Argumente ernst zu nehmen.
In autorit?ren Staaten dient Wissen in Form simpler Narrative den Eliten zur Manipulation und Aus¨¹bung von Macht ¨¹ber die B¨¹rger*innen. Wer nicht einverstanden ist, sagt einfach etwas ?Falsches¡°. Dies gilt nicht nur f¨¹r Fakten, sondern auch f¨¹r die Wahl politischer Ma?nahmen ¨C von Gl¨¹hbirnen ¨¹ber Ern?hrungsweisen bis hin zur Geburtenkontrolle. Es wird als ?egoistisch¡° konstruiert, wenn Einzelne die Kosten und den Nutzen des Gehorsams f¨¹r sich abw?gen. In der Demokratie dagegen sind Wissensanspr¨¹che nicht bin?r im Sinne von ?entweder/oder¡°. ?berzeugungen konkurrieren in einer pluralistischen Gesellschaft miteinander, um Macht f¨¹r ein gemeinsames Ziel wie den Klimaschutz auszu¨¹ben, so variieren beispielsweise Minderungs- und Anpassungsma?nahmen von Land zu Land.
Auch die Forschungs- und Bildungspolitik tr?gt zur Polarisierung der Klimadebatte bei. Bisher wird das Thema vor allem aus der Perspektive der Naturwissenschaften und Technik betrachtet, w?hrend die Wirtschaftswissenschaften den gesellschaftlichen Diskurs dominieren. Doch mehr Daten, bessere Modelle und genauere ½ð±´ÆåÅÆ haben nicht dazu gef¨¹hrt, dass wir die notwendigen Ver?nderungen erreichen, um innerhalb der ?kologischen Grenzen des Planeten zu bleiben. Wissen ist immer auch eine Machtfrage. Wenn vereinfacht oder polarisiert wird, kommt das partikularen Interessen zugute. Gef?hrlich wird es, wenn Wissen als absolut wahr angesehen und nicht mehr hinterfragt wird. Diese Zusammenh?nge besser zu verstehen, ist Aufgabe der Gesellschaftswissenschaften. Sie sind daher essenziell f¨¹r die Demokratie.
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Hochschulautonomie in Zeiten leerer Kassen
Beitrag des ?konomen Ronnie Sch?b, Freie Universit?t Berlin
Wenn wir ¨¹ber Wissenschaftsfreiheit und die damit verbundene notwendige Autonomie von ½ð±´ÆåÅÆn sprechen, m¨¹ssen wir auch ¨¹ber Geld sprechen. Wissenschaftlich frei und autonom handeln kann nur eine Institution, die ausk?mmlich finanziert wird und deren Finanzierung nicht an inhaltliche Bedingungen gekn¨¹pft ist.
Die von der Berliner Landesregierung angek¨¹ndigte Aufk¨¹ndigung und Neuverhandlung der Berliner Hochschulvertr?ge verdeutlichen jedoch die gro?e Abh?ngigkeit der Universit?ten von der ?ffentlichen Hand. Die anvisierten K¨¹rzungen der Zusch¨¹sse des Landes Berlins an die staatlichen ½ð±´ÆåÅÆn bedeuten massive Einschnitte mit noch un¨¹bersehbaren langfristigen Folgen f¨¹r die Berliner Hochschullandschaft. Zu Recht setzen sich die Berliner Universit?ten dagegen zur Wehr. Dabei wird aber immer implizit davon ausgegangen, dass die K¨¹rzungen staatlicher Zusch¨¹sse zwangsl?ufig eins zu eins durch Minderausgaben bei den ½ð±´ÆåÅÆn kompensiert werden m¨¹ssen.
Bund und L?nder finanzieren rund 90 Prozent der Hochschulausgaben, und nur etwa zehn Prozent entfallen auf privat bereitgestellte Mittel. Dazu z?hlen, zumindest in anderen Bundesl?ndern, in geringem Umfang auch Studiengeb¨¹hren.
Bleibt es bei dieser Aufteilung und f¨¹hren die K¨¹rzungen des Berliner Senats im gleichen Umfang zu Ausgabenk¨¹rzungen an den ½ð±´ÆåÅÆn, so sind davon nicht nur die Besch?ftigten betroffen, sondern auch die derzeit rund 170.000 eingeschriebenen Studierenden an den staatlichen ½ð±´ÆåÅÆn Berlins. Budgetk¨¹rzungen von rund acht Prozent werden substanzielle Eingriffe in Umfang und Qualit?t der Lehre nach sich ziehen und auch den Forschungsstandort Berlin stark belasten. Dabei gibt es aus finanzwissenschaftlicher Sicht durchaus Stellschrauben, die Folgen abzumildern.
Warum nicht einmal ¨¹ber Studiengeb¨¹hren f¨¹r ein Zweitstudium (gemeint sind nicht die konsekutiven Masterstudieng?nge) diskutieren, verbunden mit der Frage, ob eine zweite Berufsausbildung vollst?ndig mit ?ffentlichen Geldern finanziert werden muss. Warum nicht auch ¨¹ber Studiengeb¨¹hren f¨¹r Langzeitstudenten und Nicht-EU-B¨¹rger nachdenken, so wie es beispielsweise in Baden-W¨¹rttemberg g?ngige Praxis ist. Das schaffte f¨¹r die Berliner ½ð±´ÆåÅÆn neue Gestaltungsspielr?ume und ein wenig finanzielle Autonomie.
Angesichts der gewaltigen finanziellen Herausforderungen ist es an der Zeit, die Hochschulautonomie im Bereich der Einnahmenseite neu zu denken. Hierbei kann die Finanzwissenschaft helfen. Es geht dabei gar nicht darum, Studiengeb¨¹hren das Wort zu reden, sondern darum, innezuhalten und zu fragen, warum solche Optionen ¨¹berhaupt nicht mehr in Betracht gezogen werden und die Frage finanzieller Autonomie in den Verhandlungen mit der Berliner Senatsverwaltung nicht mit aufgenommen wird.
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Verantwortung und ethische Kompetenzen im Tierversuch
Beitrag der Fachtier?rztin f¨¹r Versuchstierkunde und Physiologie Christa Th?ne-Reineke, Freie Universit?t Berlin
In Paragraph 1, Tierschutzgesetz, ist die Verantwortung des Menschen dem Tier gegen¨¹ber geregelt. Dort hei?t es:?Zweck dieses Gesetzes ist es, aus der Verantwortung des Menschen f¨¹r das Tier als Mitgesch?pf dessen Leben und Wohlbefinden zu sch¨¹tzen. Niemand darf einem Tier ohne vern¨¹nftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Sch?den zuf¨¹gen. Den zu wissenschaftlichen Zwecken verwendeten Tieren gegen¨¹ber ist diese Verantwortung sowohl im Tierschutzgesetz als auch in zahlreichen weiteren Richtlinien und Verordnungen auf nationaler und internationaler Ebene konkretisiert, und diese muss nach dem Prinzip der Verh?ltnism??igkeit mit der Wissenschaftsfreiheit in Artikel 5.3 des Grundgesetzes und der daraus resultierenden Verantwortung abgewogen werden. Durch die EU-Richtlinie (2010/63/EU) findet zudem das 3R-Prinzip (Replace, Reduce, Refine) von Russell und Burch (1959) Niederschlag in der Gesetzgebung. Das 3R-Prinzip verpflichtet Wissenschaftler*innen, wo immer m?glich, auf Tierversuche zu verzichten (Replace), die Anzahl der Tiere so weit wie m?glich zu reduzieren (Reduce) und die Belastung der Tiere im Tierversuch so gering wie m?glich zu gestalten (Refine). Ein den 3R zugrundeliegendes ethisches ?R¡° ist die ?bernahme von Verantwortung (Responsibility), das die Voraussetzung f¨¹r die Umsetzung der 3R und weiterer ethischer Prinzipien im Rahmen der Bewertung von Tierversuchen ist. Da die 3R also nur einen Teil der Verantwortung dem Tier gegen¨¹ber abbilden, fordert der Gesetzgeber in den Tierversuchsantr?gen zus?tzlich die Darlegung der ethischen Vertretbarkeit eines Tierversuchs.
Diese Darlegung setzt eine fundierte ethische Grundbildung, eine?Ethical Literacy, voraus. Kenntnisse, die bisher nur wenig oder nur unzureichend in den Studieng?ngen der Tierversuche planenden und durchf¨¹hrenden Wissenschaftler*innen vermittelt werden. Eine ethische Grundbildung in diesen Studieng?ngen ist essenziell, um einen verantwortungsvollen Umgang mit den durch einen Tierversuch entstehenden ethisch-moralischen Problemen zu gew?hrleisten. Ebenfalls wichtig ist es, ein entsprechendes ethisches Grundverst?ndnis bei Vertreter*innen der Genehmigungsbeh?rden und den Tierschutzbeauftragten der Einrichtungen zu f?rdern. Sucht man nach geeigneten Lehr- oder Weiterbildungsmaterialien speziell zum Thema der ethischen Verantwortung von Wissenschaftler*innen bzw. weiteren Beteiligten, wird deutlich, dass diese sehr allgemein bleiben und keine konkreten Hilfestellungen f¨¹r den Umgang mit den vielf?ltigen Fragen der Verantwortung im Kontext der Tierversuche geben.
Hier setzt das vom BMBF gef?rderte Projekt?3REthicsWeb?an. Ziel des Projekts ist die Entwicklung einer interdisziplin?ren E-Learning-Plattform, ¨¹ber die eine ethische Grundbildung mit Praxisbezug auf die Situationen im Tierversuch sowie eine Ethik der 3R und der Alternativmethoden vermittelt werden soll.
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Dr. Julia Dietrich leitet den Arbeitsbereich Didaktik der Philosophie und Ethik.
Website?Univ.-Professorin Dr. med. vet. Christa Th?ne-Reineke