Gru?wort anl?sslich des Vortrages von Moshe Zimmermann
Im Rahmen der Mosse Lecture am 31. Januar 2008
Verehrter, lieber Herr Zimmermann,
liebe Kollegen Scherpe, Schütz, Vogl,
sehr geehrte Damen und Herren,
ein Gru?wort anl??lich einer Vorlesung von Moshe Zimmermann zu halten, setzt den Grü?enden in nicht geringe Verlegenheit. Das ?bliche, das Bemühte, das Vorgefertigte – nein, das lieber nicht für einen Historiker der Hebr?ischen Universit?t, von dem man gewi? nicht sagen kann, da? er so seine historische Wissenschaft betreibt und sich unter diesen Leitbegriffen in den Medien seines Heimatlandes oder hierzulande ?u?ert. Das ?bliche, das Bemühte, das Vorgefertigte kommt auch schon deswegen nicht in Frage, weil ich den Vortragenden des heutigen Abends seit dem Jahre 1984 kenne – damals habe ich n?mlich als Student seine Vorlesungen geh?rt, in einem aus heutiger Perspektive nahezu paradiesisch anmutenden Jerusalem, vor der ersten Intifada, freilich schon nach dem Libanonkrieg, einpr?gsame Zitate aus jener grauen Vorzeit sind mir nicht mehr erinnerlich, aber daran, da? es sie gab, zweifle ich nicht.
Das ?bliche, das Bemühte, das Vorgefertigte kommt auch schon deswegen nicht in Frage, weil der Titel, mit dem Moshe Zimmermann seinen Vortrag überschrieben hat, auch nicht gerade Trivialit?ten oder gar Banalit?ten erwarten l??t: jüdisch und/oder demokratisch – der Grad, auf dem man über ein solches Thema angemessen sprechen kann, ist schmal und Absturz leicht m?glich, für einen Historiker des antiken Christentums im Pr?sidentenamt gewi? noch viel leichter als für einen israelischen Historiker. Gerade weil ich seit vielen Jahren jedes Jahr für knapp drei Wochen in Jerusalem lehre, ahne ich, was zu sagen w?re und bis zu einem gewissen Grade auch, was Moshe Zimmermann sagen wird. Wenn ich vom Zionsberg in Jerusalem per Taxi oder Bus zur Hebr?ischen National- und Universit?tsbibliothek in Givat Ram fahre, passiert der Bus das gro?e Geb?ude des Parlamentes, nehme ich mir ein Mietauto, fahre ich gern an dem architektonisch einpr?gsamen Entwurf des obersten Gerichtshofs vorbei, pr?ziser: unter ihm durch einen Tunnel. Beide Geb?ude sind schwer bewacht, die Knesset sogar sehr weitr?umig abgeriegelt – Bedrohungsszenarien sind in der Heiligen Stadt allgegenw?rtig – wenn ich abends oder morgens pl?tzlich vielstimmiges Sirenengeheul der Krankenwagen h?re, wei? ich, da? meine Eltern irgendwann im Laufe der n?chsten Stunden anrufen werden, dann, wenn die Nachrichten über das Bombenattentat in den deutschen Medien erscheinen. Stra?encafés meide ich. Die Au?enbezirke des arabischen Teils von Jerusalem durchschneidet eine riesige, hohe Betonmauer, die man vom anderen Campus der Hebr?ischen Universit?t, dem Skopusberg, nicht übersehen kann. Sie ist auch in vielen Gespr?chen mit jüdischen Universit?tskollegen in Jerusalem immer wieder das Thema; der deutsche Gast sitzt beklommen und h?rt zu. Und weil das so ist, scheint es mir ungleich besser, wenn über Moshe Zimmermanns Thema nicht weiter die naturgem?? laienhaften Ahnungen eines Pr?sidenten vorgetragen werden, sondern die kantigen Positionen des eigentlich dafür vorgesehenen Referenten.
Seit vielen Jahren ein paar Wochen in Jerusalem – das qualifiziert gewi? nicht dafür, mit dem Referenten in einen Dialog in das Thema einzutreten. Aber wir wissen natürlich alle, da? es auch eine spezifisch deutsche Geschichte dieses Themas gibt. Hugo Preu?, der 1918 als Innenstaatssekret?r einen ersten Entwurf für die Weimarer Reichsverfassung vorlegte, wurde 1889 an unserer Universit?t habilitiert, konnte aber als Jude an ihr nicht Ordinarius werden. Sein Leben und die so deutlich von ihm gepr?gte Weimarer Reichsverfassung stellen einen Tag nach dem 30. Januar und fünfundsiebzig Jahre nach der Ernennung des Reichskanzlers Hitler die Frage, wie wehrhaft eine Demokratie gestaltet werden mu? und wie man tats?chliche Bedrohung von hysterischer Angst vor Bedrohung unterscheiden kann. Und die deutsche Vorgeschichte unseres Themas endet natürlich nicht am 30. Januar 1933: Im vergangenen Jahr j?hrte sich auch die Entführung des Arbeitgeberpr?sidenten Hans-Martin Schleyer, der deutsche Herbst 1977 und seine lange Vorgeschichte, zu der gewi? auch die Diskussion über die Notstandsgesetzgebung im Mai 1968 geh?rt.
Gru?worte sollten nicht als verkappte Kurzvortr?ge angelegt werden, sondern sehr herzlich einen Gast begrü?en, in diesem Fall einen Gast, von dem man nicht nur kluge Kommentare zur Lage des deutschen Fu?balls h?ren kann, die triviale Erwartung, da? er spannende Dinge werde sagen, rhetorisch einigerma?en gekonnt formulieren und dem Auditorium einen ebenso anregenden wie belehrenden Abend wünschen – und natürlich den Veranstaltern der Mosse-Lectures, den Kollegen Scherpe, Schütz und Vogl noch einmal ganz herzlich danken. Das habe ich nun getan und reiche das Mikrofon weiter.
Prof. Dr. Dr. h.c. Christoph Markschies
Pr?sident der Humboldt-Universit?t