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?In der biologischen Forschung gibt es eine gro?e Reproduzierbarkeitskrise.¡°
Offene Forschung bietet viele Vorteile ¨C trotzdem verbreiten sich Open Science-Standards nur langsam. Matthias K?nig setzt sich als BUA Open Science Ambassador f¨¹r mehr Transparenz in der Wissenschaft ein.

Matthias K?nig ist einer der BUA Open Science
Ambassadors. Foto: Matthias K?nig
Die Forschung nach Open Science-Standards bietet viele Vorteile. Doch warum etablieren sich diese Standards nur relativ schleppend? Welche H¨¹rden gibt es f¨¹r die Etablierung von Open Science in der Wissenschaft und was m¨¹sste passieren, damit das Thema Fahrt aufnimmt? Matthias K?nig ist einer von 23 BUA Open Science Ambassadors, die f¨¹r eine offene Forschungskultur an den Einrichtungen der Berlin University Alliance werben. Im Interview erz?hlt er, wie er und sein Team das Thema Open Science in der Biologie umsetzen.
Aktuell k?nnen sich Interessierte an allen Einrichtungen der Berlin University Alliance f¨¹r die zweite Runde der Open Science Ambassadors bewerben. Als Botschafter*innen f¨¹r offene Wissenschaft wirken die Open Science Ambassadors ab dem 1. August 2025 an der Umsetzung von Open Science in ihrer Community mit. Bewerbungen sind bis zum 2. Juni 2025 m?glich. Mehr ½ð±´ÆåÅÆ gibt es auf der Website der Berlin University Alliance oder bei der digitalen Informationsveranstaltung am 16. Mai 2025.
Wie sind Sie pers?nlich mit dem Thema Open Science in ½ð±´ÆåÅÆ gekommen?
Matthias K?nig: Ich bin Gruppenleiter an der Humboldt-Universit?t und arbeite vor allem im Bereich Systemmedizin der Leber. Wir besch?ftigen uns mit der Computermodellierung von biologischen und medizinischen Systemen, sogenannte Digitale Zwillinge. In diesem Kontext ist es eine gro?e Herausforderung, eine Reproduzierbarkeit dieser Modelle zu haben ¨C also dass auch andere Wissenschaftler*innen diese simulieren k?nnen und ?die gleichen Ergebnisse erhalten. Das bedeutet, dass wir sehr auf offene Daten angewiesen sind, um diese Modelle zu f¨¹ttern und unsere Vorhersagen zu ¨¹berpr¨¹fen. Wir arbeiten auch viel mit offenem Code. In diesem Kontext bin ich stark mit den ½ð±´ÆåÅÆ Open Data und Open Science in ½ð±´ÆåÅÆ gekommen.
Was genau machen Sie als Open Science Ambassador?
K?nig: Als Open Science Ambassador unterst¨¹tze ich die Arbeitsgruppen am Institut f¨¹r Biologie dabei, ihre Computermodelle nach Open Science-Standards reproduzierbar zu machen. Das ist oftmals schwierig, weil es keine speziellen Ausbildungsprogramme oder Kurse daf¨¹r gibt. Meine Arbeit leistet da eine Hilfestellung, damit die Studierenden ihre Computermodelle m?glichst offen gestalten k?nnen. Einerseits organisiert unsere Arbeitsgruppe Informationsveranstaltungen, um bestimmte Methoden, Computerbibliotheken oder Standards vorzustellen. Andererseits biete ich auch individuelle Beratung f¨¹r Studierende an. Die Motivation daf¨¹r ist aus meiner eigenen Arbeit entstanden: Wir betreuen viele Studierende in unserer Gruppe, k?nnen deren Arbeit aber nur nachnutzen, falls sie sich an bestimmte Standards halten.
Damit meine Sie vor allem FAIRe Daten, richtig?
K?nig: Genau. Die Daten sollten findable, accessible, interoperable und reusable sein. Vor ein paar Jahren haben wir uns beispielsweise im Rahmen einer EU-Initiative damit besch?ftigt, Covid-Modelle, die den Verlauf der Pandemie vorhersagen, reproduzierbar und FAIR zu gestalten. W?hrend der Covid-Pandemie gab es viel F?rderung f¨¹r Computermodellierung und dementsprechend viele Modelle, aber es war schwierig zu beurteilen, wie gut diese Vorhersagemodelle wirklich waren. Wir haben mehr als 30 Modelle in einen offenen Standard umgewandelt, damit jeder sie mit anderen Datens?tzen wiederverwenden kann.
Wie steht es denn um Open Science in der Biologie ¨C werden standardm??ig Modelle von anderen Forscher*innen reproduziert?
K?nig: Das ist die Idee von Open Science ¨C damit nicht jeder, der ein Projekt anf?ngt, bei null beginnen muss. Gerade in der biologischen Forschung gibt es jedoch eine gro?e Reproduzierbarkeitskrise. Meistens ist es nicht m?glich, die Daten einer bestimmten Publikation zu reproduzieren. Oftmals fehlen entweder die Methoden, gen¨¹gend ½ð±´ÆåÅÆ oder der Computer Code.
Ein weiteres gro?es Problem ist, dass vor allem in der Wissenschaft am Ende alles nach Publikationen bewertet wird. Deshalb wollen viele Forschungsgruppen ihre Datens?tze oder Computermodelle nicht herausgeben, weil sie noch weitere Publikationen damit machen m?chten.
Das hat ja auch etwas mit dem generellen Publikationsdruck in der Wissenschaft zu tun.
K?nig: Genau. Meine pers?nliche Erfahrung ist, dass die Forschungs-Community zweigespalten ist. Auf der anderen Seite gibt es viele Personen, die die Vorteile von Open Science sehen: Wenn ich offener bin, werde ich h?ufiger zitiert, andere Wissenschaftler*innen verwenden meine Daten und ich bekomme neue Kollaborationen. Man kann dann gemeinsam versuchen, Forschungsprobleme zu l?sen. Es gibt tats?chlich Studien, die zeigen: Umso offener die Daten sind, desto mehr werden auch die Publikationen zitiert.
Meine pers?nliche Erfahrung zeigt: Wenn die Daten nicht offen zug?nglich gemacht werden, wird damit meistens nichts mehr gemacht, da die Studierenden und Forschende, die die Daten erzeugt haben, nicht mehr in der Arbeitsgruppe sind. Dieser Datensatz, der f¨¹r die Forschungscommunity sehr wichtig und interessant w?re, geht dann verloren.
F¨¹r die Forschung w?re es also viel wichtiger, wenn man die Daten zur Verf¨¹gung stellt?
K?nig: Genau. Es hat sich schon einiges in der Community getan, und auch in der Biologie wird die Forschung offener. Ein gutes Beispiel ist die Proteinstrukturanalyse. Schon vor Jahrzehnten wurde es zum Standard, dass man eine Struktur, die man aufgekl?rt hat, in einer zentralen Datenbank ablegt. Dadurch gibt es heute eine sehr gro?e Datenbasis und man kann heute keine Proteinstruktur mehr publizieren, wenn man diese nicht in die Datenbank ablegt. Das hat auch dazu gef¨¹hrt, dass in diesem Bereich mit K¨¹nstlicher Intelligenz gearbeitet werden konnte. Das hat das Feld der Proteinstrukturanalyse revolutioniert. Eine analoge Entwicklung w?re in allen Bereichen der Biologie und Medizin notwendig.
Sehen Sie das eher als Chance oder eher als Problem, dass auch die K¨¹nstliche Intelligenz auf diese Datens?tze zugreifen kann?
K?nig: Ich sehe das auf jeden Fall als Chance. Die k¨¹nstliche Intelligenz sehe ich als Werkzeug, mit dem man neue Fragestellungen angehen kann. Sie wird die Wissenschaft nicht ersetzen. Die Herausforderung ist, dass viele Menschen nicht verstehen, was K¨¹nstliche Intelligenz eigentlich ist, und deshalb gro?e ?ngste haben. Das ist auch verst?ndlich. Aber ohne Open Science und Open Data wird man die KI-Systeme nicht entwickeln k?nnen. Hier sind wir als Wissenschaftler*innen gefragt, aktiv zu zeigen, wie diese Technologien verantwortungsvoll eingesetzt werden k?nnen.
Welche Initiativen w?ren n?tig, damit das Thema Open Science innerhalb der BUA noch mehr Fahrt aufnimmt?
K?nig: Wir br?uchten alternative Evaluationskriterien f¨¹r Research Outcome, f¨¹r die Bewertungen von Wissenschaftler*innen und Lebensl?ufen, aber auch bei Einstellungen und Berufungen. In diesen Kriterien sollten die Faktoren Open Science und Engagement f¨¹r die Community deutlich st?rker gewichtet werden.
Da tut sich etwas, auch an der Humboldt-Universit?t, aber diese Prozesse gehen sehr langsam voran. Es ist nat¨¹rlich schwierig, ein ganzes System von quantitativen Indikatoren hin zu alternativen Faktoren wie Engagement umzukrempeln. Diese sind deutlich schwieriger zu evaluieren und erfordern mehr Arbeit f¨¹r die beteiligten Kommissionen. Deswegen geht dieser Prozess an Universit?ten nur sehr langsam voran. Um einen internen Wandel zu schaffen, br?uchte es deutlich mehr Initiativen mit mehr finanziellen Mitteln. Diese Investition w¨¹rde sich langfristig mehr als lohnen, durch die Mehrwerte, die durch Open Science erzeugt werden ¨C von einer verbesserten Reproduzierbarkeit von Forschungsergebnissen bis hin zu einer st?rkeren Zusammenarbeit in der wissenschaftlichen Community.
Wie sieht ihre weitere T?tigkeit als Open Science Ambassador der BUA aus?
K?nig: Ich bin f¨¹r ein Jahr, also noch bis zum Ende des Sommers Open Science Ambassador. Diese Zeit w¨¹rde ich gerne um ein weiteres Jahr verl?ngern. An der Humboldt-Universit?t organisieren wir demn?chst einen Workshop, um alle Modellierer*innen aus der lebenswissenschaftlichen Fakult?t zusammenzubringen und die Grundlagen von Open Science zu vermitteln. Damit hoffen wir auf einen Multiplikatoreffekt, so dass die Wissenschaftler*innen und Studierenden ?dem Thema Open Science mehr Aufmerksamkeit schenken.
Hochschulautonomie zum Wohle der Allgemeinheit
Die Wissenschaftsfreiheit hat nicht nur eine individuelle, sondern auch eine institutionelle Seite. Die Hochschulautonomie ist teils explizit in Verfassungstexten verankert, jedenfalls aber im Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit.

Prof. Dr. Matthias Ruffert,
Foto: Dr. Lennart Gau
Die Wissenschaftsfreiheit sch¨¹tzt nicht nur einzelne Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, sie hat auch eine institutionelle Seite. Diese Gew?hrleistung folgt der historischen Erfahrung, dass sich freie Wissenschaft in daf¨¹r geschaffenen Institutionen entfaltet ¨C zum Wohl der Allgemeinheit. In Deutschland, aber letztlich weit dar¨¹ber hinaus, ist dies untrennbar mit der Universit?tsreform Wilhelm von Humboldts verbunden. Die Wissenschaftsfreiheit der Institution Universit?t findet auch heute noch Niederschlag in Verfassungstexten. So gew?hrleisten manche Landesverfassungen ausdr¨¹cklich die universit?re Selbstverwaltung, und in der Charta der Grundrechte der Europ?ischen Union aus dem Jahr 2000, die 2009 Bestandteil des verbindlichen Europarechts geworden ist, hei?t es: ?Die akademische Freiheit wird geachtet.¡° Der Gerichtshof der Europ?ische Union hat diese Gew?hrleistung bereits gegen Ungarn in Stellung gebracht, als es das Orb¨¢n-Regime dort unternahm, der Central European University die Arbeitsgrundlagen zu entziehen.
Dort, wo ¨C wie in Berlin ¨C das Landesverfassungsrecht die Selbstverwaltung der Universit?ten nicht ausdr¨¹cklich nennt, wird sie aus der Wissenschaftsfreiheit abgeleitet, die in Art.?5 Abs.?3?GG (und wortgleich in Art. 21 der Verfassung von Berlin) festgeschrieben ist. Das Bundesverfassungsgericht hat hier fr¨¹h vorausschauend den Ton gesetzt und schon 1973 ausgesprochen: ?Art. 5 Abs. 3 GG ist ¡ eine das Verh?ltnis der Wissenschaft zum Staat regelnde wertentscheidende Grundsatznorm. Danach hat der Staat im Bereich des mit ?ffentlichen Mitteln eingerichteten und unterhaltenen Wissenschaftsbetriebs durch geeignete organisatorische Ma?nahmen daf¨¹r zu sorgen, dass das Grundrecht der freien wissenschaftlichen Bet?tigung soweit unangetastet bleibt, wie das unter Ber¨¹cksichtigung der anderen legitimen Aufgaben der Wissenschaftseinrichtungen und der Grundrechte der verschiedenen Beteiligten m?glich ist.¡°, und ferner: ?Organisationsnormen m¨¹ssen den Hochschulangeh?rigen, insbesondere den Hochschullehrern, einen m?glichst breiten Raum f¨¹r freie wissenschaftliche Bet?tigung sichern, andererseits m¨¹ssen sie die Funktionsf?higkeit der wissenschaftlichen ½ð±´ÆåÅÆ und ihrer Organe gew?hrleisten.¡° Diese Leits?tze hat das Gericht bis in die Gegenwart immer wieder hervorgehoben.
Was aber sind ?geeignete organisatorische Ma?nahmen¡°? Wenn die Gesetzgebung das Organisationsrecht der ½ð±´ÆåÅÆn schafft, woran soll sie gebunden sein? Die Folgerechtsprechung aus Karlsruhe hat hierf¨¹r das Kriterium der ?Wissenschaftsad?quanz¡° entwickelt. Organisationsrecht sowie letztlich alle die Universit?ten treffenden Regelungen m¨¹ssen sich daran messen lassen, ob sie gleichsam dem Wissenschaftsbetrieb dienen. Tun sie dies nicht, bedarf es einer Rechtfertigung, einem Gemeinwohlgut von Verfassungsrang, das kompetenzgem?? und in verh?ltnism??iger Weise gesch¨¹tzt werden soll. Manche Regelung hat die verfassungsgerichtliche Pr¨¹fung nicht ¨¹berlebt, so z.B. ein Hamburgisches Gesetz zur Entmachtung der Fakult?tsgremien zugunsten der Dekanate. Auch heute gibt es Regelungen, deren verfassungsrechtliche Haltbarkeit mit gro?en Fragezeichen versehen werden muss. Manchmal kann man das durch einen kurzen Blick in die bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung feststellen wie beim viel diskutierten Eingriff in die Stellenstruktur der Universit?ten durch das BerlHG (der Verfasser dieser Zeilen vertritt einen Normenkontrollantrag gegen diese Regelung). Manchmal sind die Eingriffe subtiler wie beim gegenw?rtig in Nordrhein-Westfalen diskutierten ?Hochschulst?rkungsgesetz¡°, durch das die Landesregierung ein ?Hochschulsicherheitsrecht¡° mit eigenen Tatbest?nden und Sanktionen einf¨¹hren will, weil vermeintlich das Straf- und Disziplinarrecht nicht hinreichend seien. Ob die sog. ?Viertelparit?t¡°, also die gleichm??ige Beteiligung aller Gruppen einschlie?lich der nichtwissenschaftlichen Mitarbeiter in den Gremien der Universit?ten, verfassungskonform ist, steht noch nicht fest; hierzu ist ein Verfahren in Karlsruhe anh?ngig. Auch ¨¹ber manche Ausw¨¹chse des Personalvertretungsrechts k?nnte in diesem Zusammenhang nachgedacht werden. Eine Universit?t ist eben keine Fabrikhalle und auch keine Bezirksverwaltung.
Wenn ein Verfassungsprozess verloren geht, weil sich die Hochschulpolitik verrennt, ist das bedauerlich, aber korrigierbar, wenn das Verfassungsgericht die Korrektur nicht schon selbst mit Gesetzeskraft ausspricht. Der ?Federstrich des Gesetzgebers¡°, der auf einen Schlag alles ?ndern (und auch einmal zum Guten wenden) kann, ist eine in der Juristerei gel?ufige Metapher. Der Verlust wissenschaftlicher Reputation und Exzellenz durch wissenschaftsrechtspolitische Fehlentwicklungen ist indes erheblich schwerer heilbar ¨C und nicht durch die Politik selbst, sondern nur durch die Wissenschaft.
Matthias Ruffert ist Professor f¨¹r ?ffentliches Recht und Europarecht an der Humboldt-Universit?t zu Berlin
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Wer sollte nicht an der Universit?t sprechen?
An ½ð±´ÆåÅÆn f¨¹hrt die Ein- oder Ausladung politisch exponierter Sprecher*innen oft zu Kontroversen. Die Entscheidung, wer sprechen darf und wer nicht, sollte sich an den Aufgaben der Universit?t orientieren.

Romy Jaster and Geert Keil. Fotos: Johanna Wick,
Michele Taruffo Girona, Evidence Week
An der Universit?t entz¨¹nden sich Kontroversen ¨¹ber Wissenschaftsfreiheit h?ufig an der Ein- oder Ausladung politisch exponierter Sprecher*innen. Zun?chst ist wichtig, die unterschiedlichen Rollen der Akteur*innen im Auge zu behalten: ?ber die Einladung zu einer wissenschaftlichen Veranstaltung entscheiden die einladenden Wissenschaftler*innen im Rahmen ihrer eigenen Forschungs- und Lehrfreiheit. Hochschulleitungen m¨¹ssen nicht gefragt werden und auch keine Erlaubnis geben. Ministerien haben keine Weisungen zur Besetzung von ½ð±´ÆåÅÆ zu erteilen. In F?llen, in denen massive St?rungen drohen, kann allerdings eine Umplanung einer Veranstaltung erforderlich sein, um ihren sicheren Ablauf zu gew?hrleisten. An dieser Stelle kommen Hochschulleitungen ins Spiel. Dabei versteht sich, dass Sicherheitsbedenken nicht blo? vorgeschoben sein d¨¹rfen.
Politische und zivilgesellschaftliche Akteur*innen d¨¹rfen Einladungen kritisieren, auch in scharfer Form. Es ist kein Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit, beispielsweise die Meinung kundzutun ?Es ist unertr?glich, dass hier einer Antisemitin eine B¨¹hne geboten wird?. Forderungen nach Ausladung sind ihrerseits kritisierbar und m¨¹ssen sich gefallen lassen, auf ihre politische Motivation hin befragt zu werden. Nach einem ber¨¹hmten Argument des Philosophen John Stuart Mill sind Dissens und Meinungsvielfalt grunds?tzlich erkenntnisbef?rdernd. Schon deshalb bedarf es besonders starker Argumente, anderen den ?ffentlichen Raum zu bestreiten, den man f¨¹r sich selbst in Anspruch nimmt.
Aus der Perspektive von Wissenschaftler*innen, die eine Veranstaltung planen, stellt sich das Problem nicht als rechtliches dar: Sie wissen schon, dass sie einladen d¨¹rfen, wen sie f¨¹r geeignet halten. Sie fragen sich, wen sie (nicht) einladen sollten und von welchen ?berlegungen sie sich dabei leiten lassen sollten. Nicht alles, was rechtlich erlaubt ist, ist auch gute wissenschaftliche Praxis.
Aus unserer Sicht ergibt sich der entscheidende Gesichtspunkt aus der Aufgabe der Universit?t: An Universit?ten wird Wissenschaft betrieben, also methodisch kontrollierte, ergebnisoffene, fehlbare Erkenntnissuche. Dieses Gesch?ft erfordert bestimmte Tugenden und wird durch bestimmte Laster beeintr?chtigt. Dabei handelt es sich wohlgemerkt nicht um moralische, sondern um epistemische Tugenden und Laster. Bestimmte Einstellungen, Haltungen und Verhaltensweisen sind der ergebnisoffenen Erkenntnissuche zutr?glich, andere sind ihr abtr?glich. Untersucht wird das in der Tugenderkenntnistheorie (virtue epistemology).
Beispiele: Personen, die vorgebrachte Belege ignorieren, sich Nachfragen beharrlich entziehen, anderen das Wort im Mund umdrehen, in Bedr?ngnis das Thema wechseln oder ihre eigenen Auffassungen gegen Kritik zu immunisieren suchen, zeigen damit, dass sie keine kl?rungs- oder erkenntnisorientierte Debatte f¨¹hren wollen. Man kann diese Verhaltensweisen und Untugenden unter dem Begriff der intellektuellen Unredlichkeit zusammenfassen. Wo auch immer sie ihren Platz haben: Der ergebnisoffenen Erkenntnissuche sind sie abtr?glich.
F¨¹r eine Einladung an die Universit?t disqualifiziert man sich aus unserer Sicht nicht durch bestimmte inhaltliche Positionen, auch nicht durch eine tats?chliche oder vermutete Unzumutbarkeit f¨¹r Zuh?rende. Die Universit?t sch¨¹tzt weder Rechtgl?ubigkeit noch moralische Rechtschaffenheit, sondern ihre eigene DNA: dasjenige Mindestma? an intellektueller Redlichkeit, das f¨¹r die wissenschaftliche Erkenntnissuche unerl?sslich ist. Wer diese Suche durch sein epistemisches und diskursives Verhalten sabotiert, nimmt sich gleichsam selbst aus dem Spiel.
Weitere ½ð±´ÆåÅÆ
Weiterf¨¹hrende Literatur
- ?Wen sollte man nicht an die Universit?t einladen?¡°, in: E. ?zmen (Hg.), Wissenschaftsfreiheit im Konflikt, Stuttgart 2021.
- ?Wer muss drau?en bleiben?¡°, Deutsche Zeitschrift f¨¹r Philosophie 70 (2022).
Romy Jaster und Geert Keil forschen und lehren am Institut f¨¹r Philosophie der Humboldt-Universit?t.
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Wissenschaftsfreiheit unter Druck: Transatlantische Entwicklungen und Herausforderungen
Politikwissenschaftlerin Tanja A. B?rzel, Freie Universit?t
Die aktuelle Entwicklung der Wissenschaftsfreiheit sorgt auf beiden Seiten des Atlantiks f¨¹r Aufregung. W?hrend der k¨¹rzlich wiedergew?hlte US-Pr?sident Donald J. Trump amerikanischen Universit?ten die Gelder streicht ¨C mit der Begr¨¹ndung, sie w¨¹rden zu viel f¨¹r Diversity, Inclusion and Equity (DIE) und zu wenig gegen Antisemitismus tun ¨C, ist Deutschland im Academic Freedom Index (AFI) aus der Spitzengruppe herausgefallen.
Prof. Dr. Katrin Kinzelbach, die den AFI ma?geblich mitentwickelt hat, betont, dass Wissenschaftsfreiheit in Deutschland ¨C anders als in den USA ¨C verfassungsrechtlich gesch¨¹tzt ist. Der AFI erfasst anhand von Experteneinsch?tzungen die tats?chlich realisierte Wissenschaftsfreiheit, die in Deutschland insbesondere durch die F?rderaff?re des Bundesforschungsministeriums und den Umgang mit propal?stinensischen Protesten beeinflusst wurde. Politische Versuche der Politik, in die Autonomie deutscher ½ð±´ÆåÅÆn durch die K¨¹rzung von F?rdermitteln, Antisemitismusresolutionen oder Exmatrikulationsklauseln einzugreifen, sind ¨C im Gegensatz zu den Entwicklungen in den USA ¨C auf breiten gesellschaftlichen Widerstand gesto?en.
Die Drittmittelabh?ngigkeit deutscher Universit?ten mag hoch und vielleicht zu hoch sein, aber die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) ist eine Mitgliederorganisation der Universit?ten und keine Bundeseinrichtung. Das bedeutet nicht, dass es in Deutschland keine Einschr?nkungen der Wissenschaftsfreiheit gibt. Vielmehr beobachten wir einen zunehmenden ?Chilling-Effekt¡°, der weniger durch direkte politische Einflussnahme als durch Dynamiken innerhalb der Universit?ten und den Einfluss von (sozialen) Medien sowie Polarisierungsunternehmern erzeugt wird. Eine repr?sentative Umfrage des Deutschen Zentrums f¨¹r Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) konnte im letzten Jahr allerdings keine strukturelle Kultur des ?Cancelns¡° feststellen.
Im internationalen Vergleich bleibt die Wissenschaftsfreiheit in Deutschland resilient. Das Land verfehlte nur knapp die obersten zehn Prozent des AFI, w?hrend die USA bereits vor Trumps Wiederwahl in die Gruppe der 20 bis 30 Prozent abgerutscht waren und mittlerweile hinter Kanada und Israel sowie der Schweiz und dem Vereinigten K?nigreich rangieren, die zu der Gruppe der 30 bis 40 Prozent geh?ren. Trumps konservative ?MAGA¡°-Bewegung nimmt Universit?ten als vermeintliche Bollwerke liberal-progressiver Werte ins Visier. Das verhei?t nichts Gutes f¨¹r die Wissenschaftsfreiheit.
Vor diesem Hintergrund gibt es in Deutschland Forderungen, die Kooperation mit US-amerikanischen Universit?ten zu ¨¹berdenken. Allerdings existieren keine wissenschaftlichen Belege daf¨¹r, dass akademische Boykotte oder Sanktionen politischen Einfluss auf Regierungen aus¨¹ben. Solange Wissenschaftler*innen in den USA ¨C ebenso wie in Israel oder der T¨¹rkei ¨C ihre Stimme gegen illiberale politische Entwicklungen erheben, erscheint akademische Solidarit?t und nicht Boykott als angemessene Reaktion. Deutsche Universit?ten haben ihre Kooperationen mit russischen ½ð±´ÆåÅÆn, die den Angriffskrieg gegen die Ukraine unterst¨¹tzen, beendet. Aber selbst in diesem Extremfall halten wir aus gutem Grund an individuellem Wissenschaftsaustausch fest.
Besonders wichtig ist die Vermeidung einer Doppelmoral: W?hrend die Zusammenarbeit mit US-amerikanischen Universit?ten infrage gestellt wird, bauen deutsche ½ð±´ÆåÅÆn ihre Kooperationen mit Indien aus ¨C einem Land, das im AFI noch schlechter abschneidet als Russland ¨C und setzen die Zusammenarbeit mit China fort, das am unteren Ende des Indexes rangiert. Eine konsequente Wissenschaftspolitik sollte diese Widerspr¨¹che reflektieren und wissenschaftliche Zusammenarbeit in einem globalen Kontext kritisch, aber differenziert bewerten.
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Weitere ½ð±´ÆåÅÆ
Die Freiheit der Wissenschaft und ihre Grenzen
Verfassungs- und Europarechtler Christian Calliess, Freie Universit?t
Unser Grundgesetz erkl?rt in Art. 5 Abs. 3 GG : "Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei". Der besondere Schutz der Wissenschaft basiert auf dem auch vom Bundesverfassungsgericht immer wieder betonten Gedanken, dass eine von gesellschaftlichen N¨¹tzlichkeits- und politischen Zweckm??igkeitsvorstellungen freie Wissenschaft Staat und Gesellschaft im Ergebnis am besten dient. In verfassungsrechtlicher Perspektive ist Wissenschaft durch den nach Inhalt und Form als ernsthaft und planm??ig anzusehenden Versuch zur Ermittlung der Wahrheit definiert. Daran kn¨¹pft die Unterscheidung zwischen Wissenschaft und anderen Formen der Erkenntnisgewinnung und Kommunikation an. Wissenschaft zeichnet sich aus durch Rationalit?t. Nicht vom Begriff der Wissenschaft erfasst werden damit zum Beispiel Verschw?rungstheorien und Pseudo-Wissenschaften.
Forschungs- und Lehrfreiheit, Publikationsfreiheit und ihre Grenzen
Ganz im Sinne des Humboldt¡¯schen Ideals sch¨¹tzt das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit zum einen die Forschung. Diese umfasst die freie Wahl der Fragestellung und Methode, die Bewertung der Forschungsergebnisse sowie deren Verbreitung in Form von Publikationen, Vortr?gen und anderen Formaten. Zum anderen ist die Freiheit der Lehre gesch¨¹tzt, also die wissenschaftliche Vermittlung der gewonnenen Erkenntnisse. Lehrende sind damit grunds?tzlich frei in der Bestimmung des Inhalts, des Ablaufs und der Wahl der methodischen Ans?tze in ihren Lehrveranstaltungen.
Die Wissenschaftsfreiheit gilt f¨¹r alle, die eigenverantwortlich in wissenschaftlicher Weise t?tig sind oder t?tig werden wollen. Gesch¨¹tzte Personen sind nicht etwa nur Professorinnen und Professoren, sondern auch Habilitierende, Promovierende und Studierende, etwa bei der Forschung im Rahmen einer Bachelor- oder Masterarbeit. Gesch¨¹tzte R?ume sind nicht nur Universit?ten, sondern auch au?eruniversit?re Forschungseinrichtungen und Privathochschulen. Diese k?nnen sich aber nur gegen¨¹ber dem Staat auf ihre Wissenschaftsfreiheit berufen, nicht aber gegen¨¹ber ihren Forschenden und Lehrenden, denn im Verh?ltnis zu diesen sind die ½ð±´ÆåÅÆn selbst verpflichtet, die Wissenschaftsfreiheit zu achten. Beispiele f¨¹r rechtfertigungspflichtige Beschr?nkungen der Wissenschaftsfreiheit sind das Verbot bestimmter Forschungsprojekte bzw. -themen (z. B. Zivilklauseln), besondere Genehmigungserfordernisse f¨¹r die Forschung (z. B. Ethikkommissionen) oder auch universit?re Vorschriften hinsichtlich der Verwendung einer bestimmten Sprache.
Zugleich trifft den Staat eine Schutzpflicht gegen Beeintr?chtigungen der Wissenschaftsfreiheit durch private Dritte. Und schlie?lich hat der Staat ein unabh?ngiges und funktionierendes Wissenschaftssystem zu gew?hrleisten. Zugleich haben die Universit?ten Rahmenbedingungen zu schaffen, unter denen freie Forschung und Lehre praktisch m?glich ist.
Auf den ersten Blick wird die Wissenschaftsfreiheit im Grundgesetz zwar ohne Vorbehalte und damit scheinbar absolut gew?hrleistet. Grenzen k?nnen sich jedoch aus anderen Schutzg¨¹tern der Verfassung ergeben. Hierzu z?hlt beispielsweise der Schutz der Grundrechte Dritter oder auch der Umwelt- und Tierschutz. Gefordert ist dann eine Abw?gung mit dem Ziel, einen schonenden Ausgleich der Interessen herbeizuf¨¹hren. Einzig f¨¹r die Lehrfreiheit gibt es mit der Verfassungstreue eine explizite Schranke, sodass Lehrveranstaltungen nicht ¨¹ber wissenschaftlich fundierte Kritik am Grundgesetz hinaus zur verfassungsfeindlichen Agitation missbraucht werden d¨¹rfen. Damit korrespondiert die politische Treuepflicht der verbeamteten Professorinnen und Professoren, die die geltende Verfassungsordnung als sch¨¹tzenswert anerkennen, sich zu ihr bekennen und f¨¹r sie eintreten m¨¹ssen. Hingegen kommt dem beamtenrechtlichen M??igungsgebot nur dort eine Bedeutung zu, wo sie sich jenseits ihrer Fachgrenzen ?u?ern.
Abgrenzung zur Meinungs- und Versammlungsfreiheit: Leitlinien einer komplexen und sensiblen Gratwanderung
Zwischen Wissenschaftsfreiheit einerseits und der in Art. 5 Abs. 2 GG gesch¨¹tzten Meinungsfreiheit anderseits gibt es ?berschneidungen, beide stellen f¨¹r die Demokratie bedeutsame Kommunikationsgrundrechte dar. Eine Abgrenzung ist notwendig, da die Meinungsfreiheit im Vergleich zur Wissenschaftsfreiheit leichter eingeschr?nkt werden kann. F¨¹r den Staat und die Universit?t ist es ?einfacher¡° auf die ?u?erung eines Wissenschaftlers zu reagieren, wenn es sich bei dieser um eine Meinung und nicht um eine wissenschaftliche ?u?erung handelt. Problematisch ist beispielsweise, wenn von Professoren Verschw?rungstheorien unter dem Schleier der Wissenschaftlichkeit verbreitet werden. Dabei ist eine Grenzziehung nicht einfach, was es auch f¨¹r Hochschulleitungen schwierig macht, auf die ?u?erungen ihrer Hochschulmitglieder ¨C z. B. durch eine ?ffentliche Positionierung oder Distanzierung ¨C zu reagieren. Meinungen sind in erster Linie Werturteile. Sie sind unabh?ngig davon gesch¨¹tzt, ob sie begr¨¹ndet oder grundlos, emotional oder rational sind oder als wertvoll oder wertlos, gef?hrlich oder harmlos eingesch?tzt werden. Auch Tatsachenbehauptungen werden gesch¨¹tzt, soweit sie Voraussetzungen der Meinungsbildung sind und nicht bewusst unwahr als L¨¹ge ge?u?ert werden. Wissenschaftliche ?u?erungen zeichnen sich demgegen¨¹ber gerade durch ihre Rationalit?t aus, sie haben einen objektiven Richtigkeitsanspruch, der eng mit der Expertise des Faches verkn¨¹pft ist. ?u?ert sich also z. B. ein Wissenschaftler au?erhalb seiner eigenen fachlichen Qualifikation, deutet dies eher auf eine Meinungskundgabe, nicht aber auf eine wissenschaftliche ?u?erung hin. Die Unterscheidung zwischen einer wissenschaftlichen ?u?erung und einer Meinungskundgabe ist in einer Zeit, in der die Wissenschaft eine zunehmend pr?sente Rolle in der ?ffentlichkeit einnimmt und es vermehrt dazu kommt, dass die Universit?t zum Austragungsort politischer Konflikte wird, von besonderer Relevanz.
Damit ist zugleich ein weiteres Spannungsverh?ltnis angesprochen, das das Verh?ltnis zwischen Wissenschaftsfreiheit und Meinungs- und Demonstrationsfreiheit im Kontext der Universit?t anspricht. Mit Protesten auf dem Campus oder im H?rsaal wenden sich Studierende mitunter gegen Lehr- oder Vortragsveranstaltungen, deren personale Zusammensetzung oder die darin ge?u?erten Ansichten, manchmal fordern sie dabei ein bestimmtes Verhalten der Universit?tsleitung ein. Die Versammlungsfreiheit gilt auch auf dem Campus ?ffentlicher Universit?ten, nicht aber in H?rs?len und Seminarr?umen, jedenfalls wenn sie f¨¹r Lehrveranstaltungen genutzt werden. Hier gilt "nur" die Meinungsfreiheit.
Ma?nahmen gegen Studierendenproteste auf dem Campus der Universit?t seitens der Polizei greifen zwar in die Versammlungsfreiheit der Studierenden ein, sie k?nnen jedoch insbesondere dann gerechtfertigt sein, wenn sie dem Schutz der Wissenschaftsfreiheit vor St?rungen in Vorlesungen oder Vortragsveranstaltungen dienen. Mit dieser staatlichen Schutzpflicht korrespondiert das Hausrecht der Universit?tsleitung, das an die Fachbereiche und Professuren delegiert sein kann. Im Rahmen der Abw?gung ist insbesondere das Ausma? der St?rung der Lehrveranstaltung miteinzubeziehen. Relevant ist beispielsweise, ob es sich um eine kurze Ansage vor oder nach einer Veranstaltung handelt oder aber deren Durchf¨¹hrung insgesamt gest?rt oder gar verhindert wird. Es geht um Verh?ltnism??igkeit. Denn der demokratische Rechtsstaat pr?gt auch die Rahmenbedingungen der Wissenschaftsfreiheit.
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?Es gibt nicht die eine gute Stadtentwicklung¡°
Was bedeutet Gute Mobilit?t und wie sieht die urbane Mobilit?t der Zukunft aus? Diesen Fragen geht die Geografin Tobia Lakes im Projekt ?Transform Mobility¡° nach. In diesem interdisziplin?ren Projekt entwickeln Wissenschaftler*innen der Humboldt-Universit?t zu Berlin, Technischer Universit?t Berlin und Charit¨¦ ¨C Universit?tsmedizin Berlin L?sungen f¨¹r bed¨¹rfnisgerechte und verantwortungsvolle urbane Mobilit?t.
Was bedeutet Gute Mobilit?t und wie sieht die urbane Mobilit?t der Zukunft aus? Diesen Fragen geht die Geografin Tobia Lakes im Projekt ?Transform Mobility¡° nach. In diesem interdisziplin?ren Projekt entwickeln Wissenschaftler*innen der Humboldt-Universit?t zu Berlin, Technischer Universit?t Berlin und Charit¨¦ ¨C Universit?tsmedizin Berlin L?sungen f¨¹r bed¨¹rfnisgerechte und verantwortungsvolle urbane Mobilit?t. Das Projekt ist Teil der Initiative ?Next Grand Challenges¡°, mit der die Berlin University Alliance Forschung zu gro?en Zukunftsfragen der Gesellschaft unterst¨¹tzt.
Hallo Frau Lakes, wie sieht ihre Arbeit als Geografin in diesem Verkehrsprojekt genau aus?
Tobia Lakes: Mich interessiert vor allem das Thema Gute Mobilit?t im r?umlichen Sinne. Wir entwickeln verschiedene Szenarien, wie St?dte mit guter Mobilit?t aussehen k?nnten. Der Begriff ?Gut¡° macht deutlich, dass es sehr unterschiedliche Wertesysteme und Verst?ndnisse von Mobilit?t gibt. Mich interessiert, wie man diese Werte in Indikatoren und r?umliche Daten ¨¹bersetzen kann. Zum Beispiel: Welcher Fl?chenanteil steht welcher Mobilit?tsform, etwa parkenden Autos oder Fu?g?nger*innen, zur Verf¨¹gung? Anhand dieses Indikators kann man dann diskutieren: Wie sollte die Verteilung eigentlich sein? Was hei?t Gute Mobilit?t?
Die Frage ist ja auch: Gut f¨¹r wen?
Lakes: Genau. Wir wollen diese unterschiedlichen Interessen herausarbeiten. Das schlie?t auch Aspekte mit ein, die sich historisch in der Stadtentwicklung manifestiert haben, wie zum Beispiel die Fahrbahnbreite. So wollen wir Szenarien entwickeln, um zu zeigen, wie Gute Mobilit?t in unseren St?dten aussehen k?nnte.
Mich interessiert besonders der Aspekt der Co-Benefits. Bei urbaner Mobilit?t gibt es ganz viele Ma?nahmen, die vorteilhaft f¨¹r verschiedene Ziele sind, etwa vor dem Hintergrund des Klimawandels oder von gesunden Lebensr?umen. Gute Mobilit?t kann zum Beispiel ebenfalls die Luftqualit?t verbessern oder die Aufenthaltsqualit?t im ?ffentlichen Raum. Diese Co-Benefits m?chte ich herausarbeiten, um zu schauen, wo es Synergien oder auch Zielkonflikte bei Zielen und Ma?nahmen gibt.
Das Team ist sehr interdisziplin?r: Die Wissenschaflter*innen kommen aus den Technikwissenschaften, der Philosophie, der Geographie und der integrierten Verkehrsplanung. Warum ist das vorteilhaft f¨¹r so ein Verkehrsprojekt?
Lakes: Das Projekt ist bewusst interdisziplin?r. So wird zum Beispiel aus der philosophischen Perspektive analysiert: Was ist gut? Was ist gerecht? Methodisch gehen wir unterschiedlich an die Fragen heran, aber wir haben die gleichen Ziele.
Es gibt nicht die eine gute Mobilit?t oder die eine gute Stadtentwicklung, sondern es ist ein Aushandlungsprozess mit der Zivilgesellschaft, bei dem Machtstrukturen und historische Entwicklungen eine Rolle spielen. Dieser Prozess klappt nur, wenn wir die unterschiedlichen Perspektiven mit einbeziehen. Ein Aspekt, der mir pers?nlich wichtig ist, ist Inklusion: Wie kann man Barrierefreiheit und Teilhabe erm?glichen und in der Mobilit?t mitdenken?
Das Projekt m?chte eine Zukunftsvision entwickeln, die nicht prim?r an der Probleml?sung des aktuellen Verkehrs ausgerichtet ist. Welche Vorteile hat das?
Lakes: Auch als Wissenschaftler*innen sind wir manchmal gefangen in existierenden Strukturen und Denkans?tzen. Durch diese Herangehensweise k?nnen wir frei denken und v?llig neue Visionen entwickeln. Das zeigt einen gr??eren Handlungsspielraum auf und ?ffnet den F?cher der m?glichen Szenarien.
Wie soll die Zivilgesellschaft in das Projekt eingebunden werden?
Lakes: Den Ansatz der Zusammenarbeit mit gesellschaftlichen Akteur*innen finde ich unglaublich wichtig. Wir arbeiten mit den Organisationen Fu? e.V., ADFC, Changing Cities und Paper Planes zusammen, die jeweils f¨¹r verschiedene Gruppen sprechen. Gemeinsam wollen wir eine Kampagne umsetzen, in der wir die Berliner ?ffentlichkeit zu ihren W¨¹nschen zu Guter Mobilit?t befragen. Ich bin sehr neugierig darauf, welche Ergebnisse wir erhalten und wie wir diese in unsere Forschung einbinden k?nnen.
Im Mobilit?tssektor gibt es in Deutschland seit Jahrzehnten kaum Fortschritte in Sachen Klimaschutz. Inwieweit w¨¹rde die Vision von Transform Mobility daran etwas ?ndern?
Lakes: Diese Vision w¨¹rde gro?e Ver?nderungen bringen: Auf der Ebene der Klimafolgenanpassung w?ren das zum Beispiel Ma?nahmen wie die Begr¨¹nung des ?ffentlichen Raumes zur Hitzeanpassung oder ge?nderte Fahrbahnen mit durchl?ssigen Bel?gen statt Vollversiegelung zur Starkregenvorsorge. Auf der Ebene der Mitigation, also der Bem¨¹hungen, den Klimawandel abzuschw?chen, w?re das beispielsweise die Reduktion des Individualverkehrs zugunsten von aktiver Mobilit?t wie etwa Radfahren oder Zu-Fu?-Gehen. Auch die bereits erw?hnten Co-Benefits w¨¹rden f¨¹r mehr Klimaschutz im Verkehr sorgen, etwa durch die verbesserte Luftqualit?t und die L?rmreduzierung.
Ich m?chte gern die Methoden der Geoinformationsverarbeitung und den geographischen Mensch-Umwelt-System Blick mit einbringen in das Projekt, denn es ist mir ein pers?nliches Anliegen, dass sich die Berliner Verkehrssituation weiterentwickelt. Wie kann es sein, dass man seit Jahren so viel wei? ¨¹ber nachhaltigere Mobilit?tsformen, aber sich so wenig ver?ndert?
Wie wollen Sie die Ergebnisse des Projekts in die Politik tragen, um etwas zu ver?ndern?
Lakes: Die zwei Jahre Projektlaufzeit sind daf¨¹r sehr kurz. Aber dieses BUA-Projekt ist eingebettet in ein gr??eres Projekt an der TU Berlin, das fortgef¨¹hrt werden soll. Mit unserer Kampagne versuchen wir, verschiedene Zielgruppen zu erreichen. Ich finde, dass gerade beim Thema Mobilit?t der Druck auch aus der Gesellschaft kommen kann, um etwas zu bewegen. Wenn man sich anschaut, welche Schwerpunkte aktuell in der Berliner Verkehrspolitik gesetzt werden, frage ich mich schon: Ist das die Berliner Gesellschaft, die das m?chte? Ich glaube nicht. Dort setzt unser Projekt an und st??t einen Austausch mit der Gesellschaft an, um gemeinsam zu ¨¹berlegen, wie eine neue Art der Mobilit?t aussehen k?nnte.
Interview: Ina Friebe
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