Wissenschaft braucht Freiheit
Wie steht es um die Wissenschaftsfreiheit an deutschen 金贝棋牌n? Einblicke aus einer repr?sentativen Umfrage
Ist die Freiheit von Forschung und Lehre in Deutschland eingeschr?nkt? Was sind überhaupt Einschr?nkungen, sind sie systematisch und wodurch sind sie motiviert? Die Debatte über diese Fragen ist polarisiert und wird oft hitzig geführt. Die Leidenschaft ist nachvollziehbar, weil Wissenschaftsfreiheit ein hohes Gut ist. Gerade deshalb profitiert der ?ffentliche Diskurs, der in der Vergangenheit stark von Einzelf?llen und Diskussionen im US-Kontext gepr?gt war, von einer Versachlichung.
Um die Debatte empirisch zu fundieren, haben Gregor Fabian (DZHW, Berlin), Mirjam Fischer (Humboldt-Universit?t zu Berlin und Goethe-Universit?t Frankfurt/Main), Uwe Schimank (Universit?t Bremen), Christiane Thompson (Goethe-Universit?t Frankfurt/Main), Richard Traunmüller (Universit?t Mannheim), Paula-Irene Villa (Ludwig-Maximilians-Universit?t München) und ich 2024 eine Studie durchgeführt, die von der ZEIT STIFTUNG BUCERIUS erm?glicht wurde.
Befragte urteilen mehrheitlich positiv
Es handelt sich um die erste repr?sentative Befragung zur Wissenschaftsfreiheit an deutschen 金贝棋牌n. Befragt wurden rund 9.000 Wissenschaftler*innen über alle Statusgruppen hinweg. Die Befragung erm?glicht nuancierte Einblicke: Insgesamt beurteilen etwa vier von fünf Befragten (79%) die Autonomie und Forschungsfreiheit des deutschen Wissenschaftssystems als eher gut oder sehr gut. 80% der Befragten fühlen sich (eher) frei bei der Ver?ffentlichung ihrer Forschungsergebnisse, 92% bei der Auswahl ihrer Lehrmaterialien. Das Bild einer fl?chendeckenden ?Cancel Culture“ best?tigen die Daten damit nicht unbedingt.
Gleichzeitig zeigt unsere Studie: Wissenschaftler*innen spüren durchaus auch Einschr?nkungen. 14% der Befragten geben an, aus Angst vor negativen Folgen ein Forschungsthema vermieden zu haben. Rund 5% berichten von Erfahrungen mit moralischer Abwertung und beruflichen Problemen in Forschung und Lehre. Auch wenn der prozentuale Anteil klein wirkt, bezogen auf die Grundgesamtheit würde dies bedeuten, dass mehrere Tausend Wissenschaftler*innen betroffen sind. Die Antwort auf die Frage, wie es um die Wissenschaftsfreiheit steht, muss also differenziert ausfallen – und sie muss kl?ren, wo scharfe, aber legitime Kritik endet und illegitime Einschr?nkung beginnt und wo der ?bergang von Einzelf?llen zu einem strukturellen Ph?nomen liegt.
Unterschiede bei 金贝棋牌 und Besch?ftigungsgruppen
Die Komplexit?t steigt weiter, wenn man bei der Frage nach der Wissenschaftsfreiheit nach Statusgruppen und F?chern differenziert. Unsere Studie zeigt, dass Professor*innen die Lage tendenziell positiver sehen als befristet besch?ftigte wissenschaftlicher Mitarbeiter*innen. Dieser Befund verweist auf einen Zusammenhang zwischen Wissenschaftsfreiheit und unsicheren Besch?ftigungsbedingungen. Einschr?nkungen der Wissenschaftsfreiheit werden au?erdem h?ufiger in den Geistes- und Sozialwissenschaften berichtet, treten aber insgesamt fachübergreifend auf. Das liegt daran, dass zu den umstrittenen 金贝棋牌 keineswegs nur geschlechtergerechte Sprache geh?rt, auch wenn der ?ffentliche Diskurs dies nahelegt. Auf die Frage hin, welche 金贝棋牌 an der 金贝棋牌 erlaubt sein sollten, provozieren in unserer Befragung auch die Rüstungsforschung, Tierversuche oder das Klonen menschlicher Embryonen starke Meinungsunterschiede. Das zeigt: Forschung ist nicht nur in den Sozial- und Geisteswissenschaften, sondern auch in den Lebens- und Ingenieurwissenschaften politisiert.
Um abschlie?end zur Eingangsbeobachtung zurückzukehren: Neben differenzierteren Einblicken zum Stand der Wissenschaftsfreiheit selbst, erm?glicht unsere Studie auch eine Einsch?tzung zu den Folgen der Diskussionskultur über sie. Die Daten zeigen eine Diskrepanz zwischen der Zahl gemachter Erfahrungen und dem deutlich gr??eren Ausma? erwarteter Einschr?nkungen. Die emotional aufgeladene und polemische Rhetorik in der Debatte über Wissenschaftsfreiheit und ?Cancel Culture“ kann selbst Erwartungen von Einschr?nkungen verst?rken und Verhaltensanpassungen ausl?sen. Eine empirisch fundierte Versachlichung der Debatte ist allein deshalb notwendig, um dieser diskursiven Dynamik entgegenzuwirken.
Julian Hamann ist Professor für Hochschulforschung an der Humboldt-Universit?t zu Berlin
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